Klimaschutz: Noch mehr Kohle für die Kohle
Trotz Expertenwarnungen, trotz Ausstiegs anderer großer Länder: Deutschland finanziert weiter Kraftwerke mit Treibhauseffekt. Energieminister Gabriel spricht das Thema Kohle bei der Vorstellung des Weltklimaberichts gar nicht erst an.
Vier Bedingungen müssen erfüllt sein, wenn die globale Erwärmung unter zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung gehalten werden soll: Alle Staaten kooperieren – und einigen sich schnell auf ein globales Klimaabkommen und auf einen weltweit gültigen Preis für Kohlendioxid (CO2). Alle beginnen sofort damit, ihren Ausstoß von Treibhausgasen zu senken. Keine Technologie wird dabei ausgeschlossen, auch Aufforstung im großen Stil, der Einsatz von Biomasse und die Verpressung von CO2 im Untergrund, um es der Atmosphäre zu entziehen.
Ottmar Edenhofer, Professor für Klimaökonomie an der Technischen Universität in Berlin, hat diese vier "Wenns" aus dem Weltklimabericht am Montag vor gut 1300 Gästen an der TU Berlin vorgetragen. Er hat seit 2008 die Arbeitsgruppe des Weltklimarats (IPCC) geleitet, die am Sonntag ihren Bericht über Handlungsmöglichkeiten gegen den Klimawandel vorgelegt hat. Mit ihm stellte auch der Co-Vositzende der Arbeitsgruppe zwei zu den Folgen des Klimawandels, Chris Fields, die Ergebnisse des Teilberichts zwei vor.
Einer der Gäste war Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD). Gabriel begann seine Rede mit dem Hinweis, dass die Staaten zu keiner dieser Bedingungen bereit seien. Er beklagte, dass „die Falschen verhandeln“. Es seien die Umweltminister, die zu Klimagipfeln reisen, das müssten aber Wirtschaftsminister und Staatschefs machen. Das hat beim Klimagipfel in Kopenhagen 2009 nicht gerade zum Erfolg geführt. Aber Kopenhagen erwähnte Gabriel nicht.
Dafür führte er am eigenen Beispiel vor, warum Klimapolitik derzeit nicht möglich zu sein scheint. Ausführlich begründete er die Industrierabatte bei der Ökostromumlage für die Schwerindustrie, nahm sich Zeit, um die Atomenergie als Scheinlösung zu entlarven, „weil wir CO2 gegen radioaktive Abfälle unter unseren Füßen tauschen“, und behauptete mehrfach, die deutsche Politik sei in Sachen Klimaschutz ganz vorn. Tatsächlich argumentierte er nur genau so wie die von ihm kritisierten Regierungen anderer Länder, die den Klimaschutz in der Europäischen Union und in der Welt ausbremsten. Wer ihn gehört hat, muss wohl glauben, dass der Klimagipfel in Paris im kommenden Jahr, der eigentlich ein Abkommen hervorbringen soll, kein Erfolg werden kann.
Deutsche Kredite für Kohlekraftwerke
Dazu passt, dass die bundeseigene KfW-Bank bis heute den Bau von Kohlekraftwerken im Ausland aus dem deutschen Entwicklungsetat finanziert. Dagegen wehren sich die Umweltorganisation Urgewald und die Grünen im Bundestag schon lange. Tatsächlich sah es in der vergangenen Woche so aus, als würde sich die Politik der KfW in Sachen Kohle bald ändern. Kurz vor der Verwaltungsratssitzung antwortete der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Rainer Baake (Grüne), auf eine Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Oliver Krischer: „Die Bundesregierung überprüft derzeit ihre Haltung zur Finanzierung von Kohlekraftwerken im Rahmen der entwicklungs- und klimapolitischen Zusammenarbeit.“ Die Regierung teile die Ansicht anderer europäischer Länder, Kohle-Investitionen im Energiesektor nicht mehr zu unterstützen, schrieb Baake. Es sei das erklärte Ziel der Bundesregierung, die Schwellen- und Entwicklungsländer beim Aufbau erneuerbarer Energien zu unterstützen, heißt es weiter.
Womöglich haben sich Grüne und Urgewald zu früh gefreut, als sie das lasen. Nach Informationen des Tagesspiegels hat der KfW-Verwaltungsratsvorsitzende Sigmar Gabriel in der betreffenden Sitzung gesagt, er sehe keinen Grund für eine Änderung der Kohleförderpolitik. Die KfW hat am 10. März ein Papier aktualisiert, in dem sie rechtfertigt, warum sie weiterhin in Kohle investieren will. Dort heißt es, die Bank habe zwischen 2006 und 2013 2,8 Milliarden Euro in die Finanzierung von Kohlekraftwerken im Ausland investiert. Das seien nur 0,5 Prozent des „Neuzusagevolumens“. Nicht eingerechnet ist also Geld, das längerfristig in Kohleprojekten gebunden ist. Gleichzeitig habe die KfW 173 Milliarden Euro in „grüne“ Projekte investiert. Dazu zählen neben erneuerbaren Energien alle anderen Finanzierungen für Umwelttechniken. Die wichtigste Begründung der KfW für ihr Engagement in der Kohlekraftwerksfinanzierung: „Sie bieten hohe Versorgungssicherheit und relativ günstige Stromgestehungskosten.“
Andere große Förderbanken wie die Weltbank, die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Europäische Bank für Wiederaufbau (EBRD) haben ebenso wie einige wichtige Regierungen die Förderung von Kohlekraftwerken drastisch eingeschränkt oder sogar ganz eingestellt. Zu den Regierungen zählen die USA, die Skandinavier, Frankreich und Großbritannien.
Deutschland investiert in Braunkohle in Nigeria
Deutschland ist derzeit sogar dabei, noch einmal größer in die Erschließung und Nutzung von Braunkohle, als klimapolitisch schlechtestem Brennstoff, einzusteigen: Im Rahmen der deutsch-nigerianischen Energiepartnerschaft, die schon 2010 vereinbart worden ist, sind zwei Kohlekraftwerke in Nigeria geplant. Eines liegt im unruhigen Nordosten Nigerias im Bundesstaat Gombe, südlich des seit mehreren Jahren von der islamistischen Sekte Boko Haram terrorisierten Bundesstaats Borno. Dort sollen auch Braunkohlevorkommen erschlossen werden. Das zweite geplante Kohlekraftwerk soll im Südosten gebaut werden.
Knapp 80 Prozent der Emissionen kommen von der Kohle
Der IPCC hatte in seinem Bericht darauf hingewiesen, dass 78 Prozent der Treibhausgasemissionen von 1970 bis 2010 auf die Verbrennung von Kohle zurückzuführen sei. Von den 2010 ausgestoßenen 49 Milliarden Tonnen Kohlendioxid entfielen demnach allein 32 Milliarden Tonnen auf die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Benzin, sowie Erdgas. Die KfW argumentiert, mit ihren Investitionen könnten günstig CO2-Emissionen eingespart werden. Die Internationale Energieagentur (IEA) dagegen weist aber schon länger darauf hin, dass Investitionen in eine kohlenstoffbasierte Infrastruktur die wirtschaftliche Entwicklung über Jahrzehnte festlegen können.
Regine Richter und Kathrin Petz von Urgewald schreiben dazu, die Modernisierung von Kohlekraftwerken würde meist dazu führen, dass sie 40 bis 50 Jahre länger betrieben würden. Nach Einschätzung des IPCC kommt es aber darauf an, in den kommenden zehn bis 20 Jahren die Investitionsströme in eine klimafreundlichere Richtung zu verschieben. Sonst wird der Klimaschutz am Ende sehr teuer, argumentiert der Weltklimarat.