Taiwan und China: Noch instabiler
Acht Jahre lang hat sich Taiwan an China angenährt, nun aber macht die Wahl Tsai Ing-wens zur neuen Präsidentin das Verhältnis wieder schwieriger - und bringt weitere Unruhe in eine unruhige Region. Ein Kommentar.
In Taiwan und Hongkong ließ sich zuletzt ein gemeinsamer Trend feststellen. Beiderorts sinkt der Anteil der Menschen, die sich als „Chinesen“ bezeichnen, und es steigt die Zahl derer, die sich „Hongkonger“ beziehungsweise „Taiwaner“ nennen. In Hongkong, das seit 1997 wieder zu China gehört, pfiffen die Fußballfans zuletzt bei Spielen der Hongkonger Nationalmannschaft gar die eigene, weil chinesische Nationalhymne aus. Sie entspricht offenkundig nicht ihrer Identität. In Taiwan hat sich am Wochenende die ebenfalls wachsende nationale Identität auch in einer Wahl ausgedrückt: Mit deutlichem Vorsprung gewann die chinakritischere Oppositionskandidatin Tsai Ing-wen von der Demokratischen Fortschrittspartei die Präsidentschaftswahlen. Die Wahl beendet acht Jahre der Annäherung beider Länder unter der chinafreundlicheren Kuomintang-Regierung und macht die politisch ohnehin nicht sehr stabile ostasiatische Region noch instabiler.
China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und strebt die Wiedervereinigung an. Diese aber rückt nun in noch weitere Ferne, die Ein-China-Politik wird in Taiwan immer unpopulärer. Zwar gilt die neue Präsidentin Tsai als besonnene Politikerin, in ihrer ersten Stellungnahme betonte sie aber auch, die neue Regierung werde Taiwans Souveränität verteidigen. China hingegen erklärte in einer ersten Stellungnahme, es werde „niemals irgendeine sezessionistische Aktivität“ hinnehmen. Es wird unruhiger auf beiden Seiten der Formosa-Straße.