Skandal um Facebook und Cambridge Analytica: Noch entscheiden Daten keine Wahlen
Schon Barack Obama ließ Daten für seinen Wahlkampf sammeln. Bei Donald Trump sollen die Dinge dagegen anders liegen. Es gilt für alle: Missbrauch muss entschieden unterbunden werden. Ein Kommentar.
Harper Reed war Teil einer Revolution. Das amerikanische Magazin „The Atlantic“ taufte ihn einst „König der Nerds“. Das war 2012. Reed leitete damals als Technischer Direktor den digitalen Wahlkampf zur Wiederwahl von Barack Obama. Auf Fotos zeigte er sich mit geballten Fäusten, auf denen „Equal Rights“ und „Internet Freedom“ stand. Beides war ihm wichtig, beides wollte er schützen.
Was eine Armada von jungen Programmierern unter seiner Ägide damals auf die Beine stellte, sorgte weltweit für Furore und wurde als erster „digitaler Wahlerfolg“ gefeiert. Barack Obama hatte schon 2008 das Wahlkampfpotenzial der damals erst aufkommenden sozialen Netzwerke wie Facebook erkannt. Bei seiner Wiederwahl sollten sie unersetzlich werden. Allen voran Facebook hatte sich dank seiner Datenfülle als Wahlkampfmittel etabliert.
Sechs Jahre später kann man bei diesem Blick zurück nur nostalgisch werden. Die Enthüllungen der vergangenen Wochen, dass das britische Politikberatungsunternehmen Cambridge Analytica sich ungefragt die Daten von 50 Millionen Facebook-Profilen angeeignet und zu Wahlkampfzwecken eingesetzt hat, stimmen pessimistisch. Facebook scheint dabei zu sein, eine Gefahr für die Demokratie zu werden.
Der mittlerweile suspendierte Geschäftsführer von Cambridge Analytica, Alexander Nix, prahlte damit, dass seine Firma Donald Trump ins Weiße Haus gehievt hat. Auch das Brexit-Lager soll im Vorfeld des britischen Referendums Unterstützung von Cambridge Analytica erhalten haben. Trump und Brexit: Erfolge, die nicht nur auf populistischen Narrativen, sondern auch auf Datenmissbrauch und Wählermanipulation aufbauen? Das passt in die Erzählung und zum öffentlichen Image beider Lager. Aber entspricht es der Realität? Und wie konnte es so weit kommen? Galt Facebook nicht einst als Rettung der partizipativen Demokratie?
Wunderwaffe "micro-targeting"
Obama schuf mit seinem Wahlerfolg 2012 einen Präzedenzfall, dessen Missbrauch nun Wellen schlägt. Mithilfe einer eigens entwickelten App gelang es der Obama-Kampagne, an die Daten von Millionen Amerikanern zu gelangen und sie zum Urnengang zu motivieren. Das sogenannte „micro-targeting“ sollte dabei helfen, potenzielle oder noch unentschlossene Wähler im Freundeskreis von Obama-Anhängern ausfindig zu machen und sie zum Wählen aufzufordern.
Der britische „Guardian“, der gerade die Enthüllungen um Cambridge Analytica veröffentlicht hat, nannte es damals eine „Wählermaschine, die reibungslos, unauffällig und schonungslos effizient arbeitet“. Die US-Techbibel „Wired“ teilte die Bewunderung für die neue Strategie, weil sie der sinkenden Wahlbeteiligung in vielen Ländern entgegenwirken könnte. Sicherheitsbedenken oder moralische Einwände mussten dem Optimismus weichen. In Interviews verwies Harper Reed gern auf Flugreisen, wenn man ihn auf die potenziellen Risiken der neuen Wahlkampfstrategie ansprach: Gefahren gibt es immer, aber sie werden von den Nutzen deutlich überwogen.
Hängt die Aufregung von der Beliebtheit des Datensammlers ab?
Nun auf Obama zu schimpfen und ihm die gleichen Machenschaften wie Cambridge Analytica anzukreiden, ist trotzdem falsch. Die Art, wie Daten gesammelt und verwendet wurden, unterscheidet sich in beiden Fällen deutlich. Und doch wurde 2012 der Grundstein für den heutigen Skandal gelegt. Obamas damalige Datenbeauftragte Carol Davidsen äußerte schon vor drei Jahren Bedenken und bestätigte kürzlich, dass Facebook damals überrascht gewesen sei, wie viel Information das Obama-Lager abgreifen konnte, es aber billigend in Kauf nahm, weil man „auf unserer Seite war“. Inwiefern Cambridge Analytica seine Daten für Trumps Wahlkampf einsetzte, wird noch untersucht. Doch schon wird von Wahlmanipulation und Datenmissbrauch des Trump-Lagers gesprochen. Maskiert die aktuelle Debatte auch in Teilen eine ideologische Glaubensfrage? Obama der Gute, Trump der Böse. Legitimiert allein der Ruf des Datensammlers das Datensammeln? Man will es nicht hoffen.
Als Fazit bleibt vorerst, dass sowohl die Hoffnung von 2012, Facebook könne die Demokratie wiederbeleben, als auch die heutige Panikmache, der Internetgigant höhle sie aus, in gleichem Maße übertrieben sind. Daten entscheiden – noch – keine Wahlen. Die gute Nachricht ist, dass jetzt aber weder Facebook noch die Politik leugnen können, dass der Missbrauch von Daten sich zu einer Gefahr für die Betroffenen entwickeln kann. Ein wenig Grund zum Optimismus, immerhin.
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