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EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger.
© dpa

Neuer Ärger um EU-Kommissar: Nichtregierungsorganisationen kritisieren Oettinger

Günther Oettinger wird sich am kommenden Montag erneut einer Befragung vor dem Europaparlament unterziehen müssen. Nichtregierungsorganisationen laufen bereits Sturm gegen den neuen Haushaltskommissar.

In ihrem heute veröffentlichten Brief fordern mehrere Nichtregierungsorganisationen – darunter LobbyControl, Transparency International, CEO, Europeans Women Lobby – die EU-Abgeordneten auf, der Ernennung von Günther Oettinger zum Haushaltskommissar die Zustimmung zu verweigern. Oettinger habe sich vor allem während seiner Zeit als Energiekommissar durch eine unethische Nähe zur Wirtschaft hervorgetan, lautet der Vorwurf.

Spitzenreiter der Lobbytreffen-Liste

Seit 2014 müssen die Mitglieder der EU-Kommission veröffentlichen, mit wem und wie oft sie sich mit Lobbyvertretern treffen. Nach einer Auswertung von LobbyControl steht Oettinger ganz oben auf der Liste der Lobbytreffen. Allein 2016 fanden demnach seine Treffen als Digital-Kommissar fast ausschließlich (90 Prozent) mit Wirtschaftsvertretern statt. Mit Experten von anderen Interessenverbänden scheint der Kommissar nicht allzu viele Schnittpunkte zu finden. So hatte Oettinger im vergangen Jahr laut LobbyControl von seinen offiziellen 179 Treffen gerade mal eines mit einer internationalen Gewerkschaft und lediglich zehn weitere mit Vertretern der Zivilgesellschaft.

Diese Schieflage findet LobbyControl auch deshalb bedenklich, weil sich „Oettinger als Digital-Kommissar mit Themen beschäftigt, die immense Auswirkungen auf die Verbraucher haben, wie Datenschutz, Roaming etc. In diesen Bereichen gibt es viele aktive NGOs und Verbände – doch keiner dieser Akteure findet sich auf Oettingers Lobbytreffen-Liste.“

Herbert Reul, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament und Mitglied im Vorstand der Europäischen Volkspartei (EVP), sieht die Statistik der NGOs etwas anders. „Es geht doch nicht darum, dass man die gleiche Anzahl von Gesprächskontakten hat“, sagte er EurActiv. „Wer legt eigentlich fest, dass die einen Lobbykontakte die bösen und andere die guten sind? So einfach ist die Welt nicht.“

Lobbyisten brauchen Registrierung

Noch im Dezember hatte das Europaparlament seine Geschäftsordnung überarbeitet. Auch wenn diese Light-Version vielen Parlamentariern nicht weit genug ging, so votierten die Abgeordneten dafür, sich künftig nur noch mit registrierten Lobbyisten zu treffen. Wer als Lobbyist keine Registrierung vorweisen kann, erhält damit keine Chance auf ein Meeting.

EU-Kommission: Oettinger hat keine Ethikregeln gebrochen

Gerade seine engen Beziehungen zu Klaus Mangold, ehemaliger Daimler-Manager und Lobbyist, dem Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nachgesagt werden und der nicht im EU-Transparenzregister als Lobbyist eingetragen ist, hatten Oettinger in den vergangenen Wochen wieder in die Schlagzeilen gebracht. Erst im November 2016 flog Oettinger mit Mangolds Privatjet nach Ungarn. Auch wenn Oettinger darauf verweist, dass er kurzfristig keinen Linienflug buchen konnte und dass es die ungarische Regierung gewesen sei, die ihn auf Mangolds Maschine verwiesen habe, hinterlässt seine Reise nicht nur vor dem Hintergrund der EU-Sanktionen gegenüber Russland einen bitteren Nachgeschmack. Ein Grund für das EU-Parlament, Oettinger am 9. Januar ausführlich zu seiner Eignung als Haushaltskommissar zu befragen. Immerhin wird er in dieser Funktion auch das Dienstverhalten der EU-Beamten kontrollieren müssen.

Trotz sprachlicher Entgleisungen Oettingers, wie in der sogenannten „Schlitzaugen-Affäre“, oder seiner Nähe zur Wirtschaft sieht der Vorsitzende der CDU-Europaabgeordnete Reul der Anhörung Oettingers vor dem Parlament „interessiert und entspannt“ entgegen. Oettingers Eignung zum Haushaltskommissar begründet er so: „Nicht nur, weil er sich in unterschiedlichen europäischen Ebenen auskennt. Als ehemaliger Ministerpräsident verfügt er gerade in den Fragen der Finanz- und Haushaltspolitik über vielfältige Erfahrungen, wie mit europäischen Mitteln umgegangen wird.“

Oettingers Erfahrungen der EU-Mittelverwendung in den einzelnen Mitgliedstaaten sieht Reul als wichtigen Punkt, wenn es um dessen Rückhalt innerhalb des Parlaments geht. Dennoch kommt der Widerstand gegen den Amtswechsel Oettingers zum Haushaltskommissar nicht nur aus den Reihen der NGOs. Gerade Vertreter der Sozialisten und Demokraten (S&D) verlangten eine Abstimmung über die anstehende Beförderung des Deutschen zum Haushaltskommissar – wie es den üblichen Verfahrensregeln der Institution entspricht. In einem Schreiben an den scheidenden Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) und ihren Fraktionsvorsitzenden Gianni Pittella teilten sie mit: „Wir denken, der Fall von Kommissar Oettinger ist anders [als der Dombrovskis‘], und wir fühlen uns dazu verpflichtet, unsere starken Vorbehalte gegenüber der von der Konferenz der Präsidenten erreichten Einigung zu äußern.“

Erschienen bei EurActiv.

Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Ama Lorenz

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