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Die Serie von Pannen der Behörden im Fall NSU nimmt kein Ende.
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Update

Ermittlungspanne im Fall NSU: Nicht mehr auf dem Schirm

Ein Verfahren gegen Uwe Mundlos wurde zu früh eingestellt - und damit eine weitere Fahndung nach dem Trio verhindert. Aufgeklärt werden kann der Fall im Moment nicht, schließlich liegen die Unterlagen beim Untersuchungsausschuss.

Die Serie von Pannen der Behörden im Fall NSU nimmt kein Ende. Von einem „weiteren tragischen Fehler“ der Strafverfolgungsbehörden bei der Suche nach der Thüringer Terrorzelle spricht jetzt Clemens Binninger, Obmann der Unionsfraktion im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Die Staatsanwaltschaft Gera hat im Jahr 2003 das Verfahren gegen den gesuchten Neonazi Uwe Mundlos zwei Jahre zu früh eingestellt und damit eine weitere Fahndung gegen ihn verhindert. Mundlos war mit Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe im Januar 1998 untergetaucht, als die Polizei in einer von ihnen genutzten Garage in Jena Rohrbomben fand. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts der „Vorbereitung eines Explosions- und Sprengstoffverbrechens“. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre. Im Juli 2000 erließ jedoch das Amtsgericht Jena einen Durchsuchungsbeschluss, der die Verjährung bei Mundlos unterbrach.

Die Verjährungsfrist hätte laut Strafgesetzbuch neu beginnen müssen und wäre also erst 2005 beendet gewesen. Es sei unerklärlich, warum die Staatsanwaltschaft die Unterbrechung der Verjährung übersehen habe, klagt Binninger. Der Haftbefehl gegen Mundlos „hätte zwei Jahre länger Bestand gehabt und der Neonazi wäre zwei Jahre länger in den Fahndungsdatenbanken der Polizei gespeichert gewesen“.

Das Amtsgericht Jena hatte am 3. Juli 2000 auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung einer Filiale der Deutschen Bank in Jena angeordnet. Die Staatsanwaltschaft wollte an Informationen zu einem Girokonto von Mundlos herankommen. Im Beschluss des Ermittlungsrichters steht, es sei zu erwarten, „dass die Auswertung der Kontounterlagen Rückschlüsse auf den Aufenthalt des Beschuldigten ermöglichen wird“. Die Beweismittel seien „von erhöhter Bedeutung“. Die Anordnung einer Durchsuchung sei „im Hinblick auf die Schwere der Tat und die Stärke des Tatverdachts erforderlich und nicht unverhältnismäßig“. Offen bleibt jedoch, ob die Razzia stattfand oder ob die Bank die Unterlagen freiwillig herausgab. In den Akten, die dem Untersuchungsausschuss vorliegen, findet sich dazu nichts. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, der Vorgang sei für die Behörde derzeit nicht zu rekonstruieren, da die Dokumente bei den NSU-Untersuchungsausschüssen lägen. Es sei nicht auszuschließen, dass ein Sachbearbeiter bei der Einstellung des Verfahrens gegen Mundlos „in den Akten etwas übersah“.

Im Jahr 2003 stellte die Staatsanwaltschaft das Sprengstoff-Verfahren auch gegen Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe ein. Böhnhardt blieb aber bis 2007 auf den Fahndungslisten, da gegen ihn noch ein anderer Haftbefehl offen war.

Binninger hatte die Panne der Staatsanwaltschaft Gera am 31. Januar bei der Sitzung des Untersuchungsausschusses erwähnt – am späteren Abend: Die Medien erreichte die Geschichte nicht mehr. Doch für den CDU-Mann ist die Brisanz schon beim Blick auf die Verbrechen des NSU enorm. In den Jahren 2004 und 2005 erschossen Mundlos und Böhnhardt den Türken Yunus Turgut in Rostock, seinen Landsmann Ismail Yasar in Nürnberg sowie den Griechen Theodorus Boulgarides in München. Außerdem begingen die Neonazis im Juni 2004 in Köln einen Anschlag mit einer Nagelbombe vor einem türkischen Friseursalon. 22 Menschen wurden verletzt. Und es kamen 2004 und 2005 drei Banküberfälle in Chemnitz hinzu.

Die vielen Pannen bei der Fahndung nach den mutmaßlichen Terroristen werden vermutlich auch ein Thema sein bei der zweitägigen Reise in die Türkei, die Obleute des Untersuchungsausschusses an diesem Mittwoch antreten. Die Abgeordneten treffen Vizeministerpräsident Bekir Bozdag, Justizminister Sadullah Ergin sowie Parlamentarier der Regierungspartei AKP. Mit der Reise erwidern die Obleute einen Besuch von Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses des türkischen Parlaments im vergangenen Jahr.

Die Staatsanwaltschaft Zwickau teilte am Dienstag mit, sie habe gegen Zschäpe wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften ermittelt. Das Verfahren sei jedoch eingestellt worden, weil die zu erwartende Strafe im Verhältnis zu den Strafen für die terroristischen Taten „voraussichtlich nicht beträchtlich ins Gewicht“ falle, sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur dpa. Kinderpornografische Dateien sollen sich auf einer Festplatte befunden haben, die im Schutt des von Zschäpe angezündeten Hauses in Zwickau lag.

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