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Union und SPD debattieren über erneuerbare Energie: Nicht klar zur Wende

Wie der Strommarkt funktionieren soll, bleibt zwischen Union und SPD umstritten. Unklar bleibt auch, wo die Grenze für den maximalen Ausbau erneuerbarer Energien pro Jahr liegen soll. Und ob die Stromsteuer sinkt, ist auch noch nicht raus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Sonntag in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft versprochen, die „Kostenexplosion – muss man schon sagen – bei den Umlagen für die erneuerbaren Energien dämpfen“ zu wollen. Am Abend haben die  Vorsitzenden der Energieverhandlungsgruppe für den Koalitionsvertrag, der amtierende Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), präsentiert, was dazu in  40 Stunden Beratungen herausgekommen ist: nicht viel Konkretes. Die  Antworten auf die Strompreisfrage überlassen Kraft und Altmaier am Montag der großen Verhandlungsrunde und ihren Parteichefs Merkel und Sigmar Gabriel (SPD).

Ob die Stromsteuer gesenkt wird, ist so unklar wie die Frage, auf welches Maß der Ausbau erneuerbarer Energien abgebremst wird. Das solle aber noch vor Ende der Koalitionsverhandlungen entschieden werden, sagten beide am Samstagabend.  Welche Firmen künftig noch in den Genuss einer weitgehenden Befreiung von der Erneuerbaren-Energien-Umlage kommen werden, bleibt dagegen noch länger unklar. Das müsse „sorgfältig geprüft werden“, betonten beide, und im übrigen mit der Kommission der Europäischen Union abgestimmt werden.

Die Reform des Strommarktes wird vertagt

Zwar sind sich alle drei Parteien einig, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und damit die Förderstruktur für Wind- und Solarstrom schnell verändert werden soll. Offenbar haben CDU, CSU und SPD aber nicht vor, das EEG und die Strommarktreform zusammenzuführen. Wie der Strommarkt in Zukunft funktionieren soll, blieb bis Samstagabend der wohl  größte Knackpunkt zwischen den künftigen Koalitionspartnern. Dabei stehen drei Konzepte gegeneinander.  Altmaier, der Kapazitätsmechanismen lediglich für eine neue Subvention hält, würde es vorziehen, wenn mit ordnungsrechtlichen Mitteln die Abschaltung von „systemrelevanten Kraftwerken“, wie es in der entsprechenden Verordnung heißt, verhindert würde. Im Vertragsentwurf ist darüber hinaus von einer „zusätzlichen Systemreserve“ die Rede, die durch konventionelle Kraftwerke  gebildet werden soll. Die SPD verlangt dagegen die Schaffung von Kapazitätsmechanismen. Damit ist gemeint, dass nicht nur die erzeugte Kilowattstunde Strom einen Wert hat, sondern auch die Möglichkeit zur Stromerzeugung, also die zur Verfügung stehende Kraftwerksleistung irgendwie vergütet wird. Der SPD geht es vor allem darum, dass existierende Kraftwerke wieder eine Rendite abwerfen, oder höhere Gewinne machen als derzeit. Der dritte Vorschlag verlangt bis Ende 2015 eine Entscheidung über die Schaffung von Kapazitätsmechanismen, die auch den Bau von flexiblen Kraftwerken als Ergänzung zu erneuerbaren Energien anreizen sollen. Diese Forderung hat die CSU in die Debatte gebracht, die nach der Abschaltung weiterer Atomkraftwerke um die Versorgungssicherheit in Bayern fürchtet.

Erneuerbare Energien sollen langsamer wachsen

Einig sind sich Union und SPD darin, dass sie den Ausbau erneuerbarer Energien bremsen wollen. Auch wenn Hannelore Kraft am Samstagabend mehrfach betonte, es gehe nicht darum, „die erneuerbaren Energien zu bremsen“, sattdessen sollten sie „kontinuierlich und bezahlbar“ ausgebaut werden. Es soll jedenfalls einen „verbindlichen Ausbaukorridor“ geben.  Damit würde der Bau von Windrädern oder Solaranlagen auf ein vorgegebenes Maximum beschränkt. Wo es liegen soll, darüber konnten sich die Parteien noch nicht einigen. Windstandorte an Land sollen nur dann noch zum Zug kommen, wenn sie „gut“ sind. Die Definition, was „gute Windstandorte“ sind, steht noch aus. Doch in Süddeutschland kommt das schlecht an. Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) beklagte, dass damit „das Potenzial der guten Windkraftstandorte ungenutzt“ bleibe. Außerdem wollen die Südländer nicht zu abhängig vom Windstrom der Nordländer werden, weshalb der Vorschlag auch in der CSU nicht populär ist.

Die Vergütungssätze sollen für alle Technologien mit Ausnahme der Windenergie auf hoher See gesenkt werden. Bei der Offshore-Windenergie einigte sich die Gruppe darauf, den Ausbau ebenfalls zu bremsen. Bis 2020 sollen 6500 Megawatt Offshore-Windleistung gebaut werden, jedes Jahr zwei Windparks mit einer Leistung von jeweils 400 Megawatt. Bis 2030 sollen es 15 000 Megawatt Windleistung im Meer  sein.  Die Küstenländer im Norden beharren darauf, die Windparks im Meer weiterhin mit hohen Fördermitteln zu versehen. Ob die derzeit gültige Regelung einer hohen Anfangsförderung aber kürzerer Förderdauer pro eingespeister Kilowattstunde Offshore-Windstrom um zwei Jahre verlängert wird, ist noch nicht entschieden. Spätestens von 2018 an sollen alle neuen Erneuerbare- Energien-Anlagen den dort erzeugten Strom direkt vermarkten müssen.

Die EEG-Umlage ließe sich höchstens um einen Cent senken

Würden alle in der Energiearbeitsgruppe diskutierten Kürzungsvorschläge umgesetzt, könnten sie die EEG-Umlage für 2015 im besten Fall um etwa einen Cent senken, ergibt eine Berechnung mit dem EEG-Rechner, den das Öko-Institut für den Energiewende-Thinktank Agora entwickelt hat. Kraft sagte am Samstagabend: „Wir haben uns nichts geschenkt. Aber es ist ein gutes Ergebnis herausgekommen.“ Altmaier bezeichnete die EEG-Reform als „das zentrale Gestaltungsprojekt der großen Koalition“ und die größte Reform seit seiner Einführung im Jahr 2000.

Der Energieeffizienz sprechen die drei Parteien zwar einen hohen Stellenwert zu. Allerdings haben sie kaum konkrete Vorschläge zu bieten, wie sie erhöht werden könnte. Lediglich mehr Geld für bestehende Förderprogramme fordern sie, stellen das aber auch gleich wieder unter Finanzierungsvorbehalt.

Auch beim Klimaschutz hält sich das Ambitionsniveau in Grenzen. Union und SPD streiten darüber, ob die Klimaziele bis 2020 bei „mindestens“ 40 oder genau bei 40 Prozent Minderung des Treibhausgasausstoßes im Vergleich zu 1990 liegen soll. Auf ein Klimaschutzgesetz, das die Zielvorgaben verbindlich machen würde, konnten sich die künftigen Koalitionäre offenbar nicht einigen.

In der Erneuerbaren-Energien-Branche dürften die Reformvorschläge für das EEG nicht gut ankommen. Am Samstagabend demonstrierte die Umweltorganisation Greenpeace geduldig stundenlang vor der SPD-Parteizentrale mit dem Transparent "Mehr Energiewende wagen". Und der Grünen-Abgeordnete Oliver Krischer monierte in einer ersten Reaktion, die unklaren Beschlüsse lösten eine "totale Verunsicherung der Energiewirtschaft" aus. "Weder die Erneuerbare noch die konventionelle Energiewirtschaft weiß woran sie ist", meinte der grüne Energiepolitiker.

Dagmar Dehmer

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