"Regenschirm"-Bewegung: Neun Demokratie-Aktivisten in Hongkong schuldig gesprochen
Vor mehr als vier Jahren legten prodemokratische Demonstrationen wochenlang Teile Hongkongs lahm. Seither hat Peking die Zügel kräftig angezogen.
Viereinhalb Jahre nach der „Regenschirm-Bewegung“ für mehr Demokratie in Hongkong sind neun Anführer der damaligen Proteste schuldig gesprochen worden. Ein Gericht der chinesischen Sonderverwaltungsregion verhängte die Urteile am Dienstag wegen Aufwiegelung und zum Teil auch Verschwörung zur Störung der öffentlichen Ordnung. Unter den Verurteilten sind Abgeordnete des Parlaments, renommierte Akademiker sowie Studentenführer. Die ersten Strafen sollen möglicherweise noch im Laufe des Dienstags verkündet werden. Ihnen droht bis zu sieben Jahre Haft.
Der Prozess ist der bisher größte gegen führende Teilnehmer der prodemokratischen Bewegung, die 2014 Teile der asiatischen Wirtschafts- und Finanzmetropole wochenlang lahmgelegt hatte. Seit ihrer Rückgabe 1997 an China wird die frühere britische Kolonie nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ autonom als eigenes Territorium regiert. Als Reaktion auf die Proteste hatte die kommunistische Führung in Peking aber die Zügel im Umgang mit Hongkong angezogen.
Ziviler Ungehorsam
Die Bewegung bekam ihren Namen von den Regenschirmen, die die Demonstranten gegen das Tränengas der Polizei und die brennende Sonne oder den Regen einsetzten, während sie 79 Tage lang friedlich wichtige Straßenzüge besetzt hielten. Der Juradozent Benny Tai, der Sozialwissenschaftler Chan Kin-Man und der Baptistenpfarrer Chu Yiu-Ming wurden wegen Verschwörung zur Störung der öffentlichen Ordnung verurteilt. Sie hatten damals die Bewegung „Occupy Central“ gegründet und als Akt zivilen Ungehorsams zur Besetzung des Geschäftsdistrikts der Metropole aufgerufen.
Die Abgeordneten Tanya Chan und Shiu Ka-chun sowie der frühere Parlamentarier Lee Wing-tat, die Studentenführer Tommy Cheung und Eason Chung sowie Raphael Wong, Mitglied der prodemokratischen Liga der Sozialdemokraten, wurden in teils verschiedenen Anklagepunkten der Anstiftung zur Störung der öffentlichen Ordnung für schuldig befunden. Die Verhandlung vor dem Gericht von West Kowloon hatte im November stattgefunden. Sollten die Abgeordneten länger als einen Monat ins Gefängnis gehen, würden sie ihren Parlamentssitz verlieren.
Der Prozess stieß auf scharfe Kritik von internationalen Menschenrechtsgruppen wie Amnesty, die vor „einschüchternden Auswirkungen“ auf die freiheitliche Gesellschaft Hongkongs warnten. Anders als die Menschen in der Volksrepublik China genießen die sieben Millionen Hongkonger vergleichsweise große Rechte wie Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, obwohl die Metropole seit 1997 unter chinesischer Souveränität steht.
Loyalität ist entscheidendes Kriterium
Die Strafverfolgung gegen die Anführer der Bewegung begann erst mit erheblicher Verspätung. Nur einen Tag nachdem ein Peking-treues Wahlkomitee die neue Regierungschefin Carrie Lam im März 2017 ausgesucht hatte, war Anklage erhoben worden. Die Demonstranten hatten sich damals auch an diesem Auswahlprozess gestoßen und das Recht gefordert, ihre politischen Führer und das Parlament in wirklich freien Wahlen selbst bestimmen zu dürfen.
In der Folge der Proteste 2014 waren aber vielmehr Aktivisten und politische Parteien, die mehr Selbstbestimmungsrechte oder sogar auch die Unabhängigkeit für Hongkong gefordert hatten, verboten oder daran gehindert worden, bei den ohnehin nur begrenzten Wahlen in der Sonderverwaltungsregion anzutreten.
Zwar stellt das seit 1997 geltende Grundgesetz in Hongkong die direkte Wahl des Regierungschefs zumindest in Aussicht, doch beharrt Peking darauf, dass die Kandidaten vorher einen strengen Auswahlprozess durchlaufen müssen. Dabei ist die Loyalität zu Chinas Führung das entscheidende Kriterium. (dpa)