Grüne fordern bessere Strukturen für Patienten: Netzwerk für den Notfall
Um die Notaufnahmen der Kliniken zu entlasten, fordern die Grünen auch Notfallpraxen für ambulante Behandlungen. Und eine App, die überall in Deutschland über den Zugang zu Hilfsangeboten informiert.
Die Grünen dringen auf eine bessere Notfallversorgung für Patienten in Deutschland. In einem Zehn-Punkte-Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, fordern sie unter anderem, dass neben den klassischen Notaufnahmen der Kliniken auch flächendeckend Notfallpraxen für ambulante Fälle eingerichtet werden.
Weiter verlangen die Gesundheitsexperten der Bundestagsfraktion, dass Rettungsdienst (Telefon: 112) und Kassenärztlicher Bereitschaftsdienst (Telefon: 116 117) zusammengelegt werden und künftig rund um die Uhr erreichbar sind. Es müsse eine bundesweite App entwickelt werden, heißt es in dem Papier, die jederzeit über alle verfügbaren Hilfsangebote vor Ort – einschließlich niedergelassener Praxen – informiert. Und via Internet und Postwurfsendungen müssten auch alle Haushalte mit den Notfallstrukturen vertraut gemacht werden.
"Patienten fühlen sich allein gelassen"
Im Notfall fühlten sich Patienten oft allein gelassen, sagt der Grünen-Experte Harald Terpe. „Sie wissen nicht, an wen sie sich wenden können oder sitzen stundenlang in der Notaufnahme eines Krankenhauses.“ Die Notfallstrukturen seien zu unübersichtlich. Und bei akuten Beschwerden sei es „unzumutbar, erst mal aufwendig recherchieren zu müssen, wer ihnen wann und wo helfen kann“. Künftig müsse es für sie Anlaufstellen geben, die ihnen in allen Fällen helfen – „sei es beim Schnupfen oder auch beim Herzinfarkt“.
Die Bestandsaufnahme der Grünen verdeutlicht die Dringlichkeit von Reformen. In den Notaufnahmen der Kliniken drängten sich Patienten, „deren Krankheitsbilder sich kaum von denen im Wartezimmer einer Hausarztpraxis unterscheiden“. Die meisten kämen ohne Einweisung. Und vielen könne „mit einer ambulanten Behandlung geholfen werden, die teilweise auch in einer niedergelassenen Praxis hätte erbracht werden können“.
Die Nummer des Bereitschaftsdienstes ist kaum bekannt
Tatsächlich sind die Möglichkeiten, sich auch außerhalb der Praxisöffnungszeiten von niedergelassenen Medizinern behandeln zu lassen, vielerorts schwer durchschaubar. Die Notrufnummer des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes sei „kaum bekannt und nicht durchgehend verfügbar“, heißt es in dem Papier.
Das Versorgungsangebot sei regional unterschiedlich, es gebe stellenweise keine festen Anlaufpraxen oder nur eingeschränkte Öffnungszeiten. Und wenn man akut Fachärzte oder psychische Hilfe benötige, gebe es außerhalb der Kliniken oft gar kein Angebot. Zudem sei der Bereitschaftsdienst bei niedergelassenen Ärzten wenig beliebt.
Helfern fehlt es oft an medizinischer Erfahrung
In den Kliniken läuft es ebenfalls nicht rund. Nahezu jedes dritte Haus verfüge über keine zentrale Notaufnahme, in der die Patienten gezielt in die jeweiligen Behandlungswege geleitet werden, schreiben die Grünen-Politiker Harald Terpe, Maria Klein-Schmeink, Kordula Schulz-Asche und Elisabeth Scharfenberg. Rund ein Drittel habe auch kein „Triage-System“, um die Dringlichkeit einer Behandlung systematisch einschätzen zu können.
Oft zögen die Notaufnahmen ihr Personal im Wechsel aus verschiedenen Klinik-Abteilungen. Die Tätigkeit gelte dort wegen mangelnder Relevanz für die Facharztausbildung und fehlender Möglichkeit zum Erwerb einer Zusatzqualifikation unter den Beschäftigten eher als „notwendiges Übel“, nicht selten kämen wenig erfahrene Assistenzärzte zum Einsatz.
Eigenständige Abteilungen für Notfallmedizin
Die Grünen wollen deshalb, dass die Notaufnahmen der Krankenhäuser künftig als eigenständige Abteilungen geführt werden – mit eigener ärztlichen und pflegerischen Leitung sowie eigenem Budget. Um Qualität und Attraktivität dieses Versorgungsbereichs zu erhöhen, sollte es künftig auch Fachärzte für Notfallmedizin geben, verlangen sie. Pflegekräfte sollten ebenfalls die Möglichkeit zu entsprechender Zusatzqualifikation erhalten. Außerdem seien verpflichtende Fortbildungen nötig.
Die neu zu schaffenden, ambulanten Notfallpraxen wiederum müssten mit den Notaufnahmen der Kliniken eng verkoppelt werden, heißt es in dem Forderungspapier. Sie könnten von den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen betrieben werden, aber auch genauso gut von den Krankenhäuser selber, durch Kommunen oder Ärzte-Netzwerke. „Ausschlaggebend muss sein, wer das beste Versorgungsangebot sicherstellt.“