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Israelische Soldaten tragen den getöteten Palästinenser weg.
© dpa

Israelischer Soldat festgenommen: Netanjahu kritisiert gezielten Kopfschuss als Verstoß gegen "Werte" der Armee

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht nach der gezielten Tötung von einem "möglichen Kriegsverbrechen". Israels Ex-Außenminister Avigdor Lieberman nahm den Soldaten hingegen in Schutz.

Ein israelischer Soldat hat im Westjordanland einen verletzt am Boden liegenden palästinensischen Angreifer mit einem gezielten Kopfschuss getötet. Ein Video von dem Vorfall, der sich am Donnerstag in Hebron ereignete, wurde im Internet und vom israelischen Fernsehen verbreitet. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von einem Verstoß gegen die "Werte" der israelischen Armee. Der Soldat wurde festgenommen, die Armee leitete Ermittlungen ein.

Am Donnerstagmorgen hatten zwei Palästinenser in Hebron im besetzten Westjordanland einen Soldaten bei einem Messerangriff schwer verletzt. Die Armee hatte zunächst lediglich mitgeteilt, dass beide Angreifer erschossen worden seien.

Kurz darauf tauchte jedoch ein Video auf, das zeigt, wie der 21-jährige Palästinenser Abdul Fatah al-Scharif angeschossen am Boden liegt - sein Messer liegt außerhalb seiner Reichweite. Dann ist zu sehen, wie ein Soldat dem Palästinenser gezielt in den Kopf schießt.

Verteidigungsminister Mosche Jalon versicherte, der Vorfall werde "mit aller Härte" verfolgt. Netanjahu erklärte, dass israelische Soldaten nie die Selbstbeherrschung verlieren dürften. "Was in Hebron passiert ist, entspricht nicht den Werten der israelischen Streitkräfte", fügte er hinzu.

Armeesprecher Peter Lerner erklärte, dass das Verhalten aller beteiligten Soldaten und ihre Befehle Gegenstand der Ermittlungen seien. Die Armee wies darauf hin, dass die Ermittlungen bereits eingeleitet worden seien, bevor das Video im Internet kursierte.

Der UN-Sonderkoordinator für den Nahost-Friedensprozess, Nickolay Mladenov, verurteilte den Vorfall und sprach von einer "außergerichtlichen Hinrichtung". Es handele sich um eine "grausame, unmoralische und ungerechte Tat", die die Gewalt im Nahen Osten weiter anheizen werde.

Eine Sprecherin der israelischen Menschenrechtsgruppe B'Tselem sprach ebenfalls von einer "Hinrichtung". Es sei klar, dass der am Boden liegende Jugendliche für die Sicherheitskräfte keine Gefahr dargestellt habe, sagte Sarit Michaeli der Nachrichtenagentur AFP.

"Mögliches Kriegsverbrechen"

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erklärte, der tödliche Schuss sei in keiner Weise gerechtfertigt gewesen und müsse "als mögliches Kriegsverbrechen" verfolgt werden. Auch der palästinensische Gesundheitsminister Dschawad Awwad sprach von einem "Kriegsverbrechen".

Der israelische Bildungsminister und Chef der nationalreligiösen Partei Jüdisches Heim, Naftali Bennett, kritisierte dagegen, dass das Verhalten des Soldaten verurteilt werde, bevor die Ermittlungen gegen ihn abgeschlossen seien. Die Kritik schade Israel und der Verhütung weiterer Attentate.

Ex-Außenminister Avigdor Lieberman nahm den Soldaten sogar in Schutz. Ein Soldat, der einen Fehler mache und am Leben bleibe, sei "besser als ein Soldat, der von einem Terroristen getötet wird, weil er gezögert hat", sagte der rechtsgerichtete Politiker.

Israel und die Palästinensergebiete werden seit Oktober von einer Gewaltwelle beherrscht, bei der bislang 200 Palästinenser, 28 Israelis und vier Ausländer getötet wurden. Bei der Mehrzahl der getöteten Palästinenser handelte es sich um erwiesene oder mutmaßliche Attentäter. Andere starben bei Protestaktionen gegen die israelische Besatzung des Westjordanlands und Ostjerusalems.

Der Vorfall vom Donnerstag ereignete sich am Eingang eines von israelischen Siedlern bewohnten Bezirks von Hebron. Im historischen Zentrum der größten Stadt im Westjordanland leben stark bewacht und abgeriegelt rund 500 israelische Siedler, weshalb die Spannungen dort besonders hoch sind. (AFP)

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