Attacken und Proteste in Gera, Freital, Hoyerswerda: Neonazis und "besorgte Bürger" gegen Flüchtlingsheime
Proteste und Übergriffe gegen Flüchtlinge häufen sich. Im sächsischen Freital versuchten Teilnehmer einer Demonstration "Nein zum Hotelheim" am Freitagabend, die dortige Unterkunft der Asylbewerber zu attackieren.
Sie wollen ein Klima der Angst schaffen, landauf, landab: Demonstranten in vielen deutschen Städten machen gegen Flüchtlinge mobil, die angeblich überwiegend nur aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen. Die Attacken gegen Asylbewerber, an denen oft Neonazis beteiligt sind, häufen sich. Jüngstes Beispiel: die sächsische Stadt Freital bei Dresden. Drohungen hatte es zuletzt auch gegen die Vizepräsidentin des Bundestages, Petra Pau (Linke) gegeben, die sich - auch in ihrem Berliner Stadtbezirk Marzahn-Hellersdorf - sehr für Flüchtlinge engagiert. Und in Dresden hatten Neonazis und Teilnehmer einer Pegida-Demonstration am vorigen Montag versucht, ein Protestcamp von Asylbewerbern vor der Semperoper zu attackieren.
In Freital demonstrierten am Freitagabend mehr als 1500 Bürger unter dem Motto "Freital wehrt sich. Nein zum Hotelheim". Sie trugen Transparente wie "Wirtschaftsflüchtlinge abschieben" oder "Dem Volk reichts!" Anführer des Protestzugs verließen die genehmigte Route und zogen zu der Flüchtlingsunterkunft in einem Hotel.
Immer wieder rief die Masse "Wir sind das Volk", wie die "Sächsische Zeitung" berichtete. Vereinzelt seien auch Leuchtraketen in Richtung Polizei geflogen. "Im Vorfeld distanzierten sich die Organisatoren zwar von fremdenfeindlichen oder extremistischen Tendenzen, allerdings hatten auch Personen aus dem rechten Spektrum ihre Teilnahme an dem Spaziergang angekündigt", heißt es weiter im dem Zeitungsbericht. Nach Darstellung von Augenzeugen versuchten die Demonstranten, Polizeiketten durchzubrechen, um die Unterkunft anzugreifen. Auch ein Fotojournalist sei massiv bedroht worden.
Die Flüchtlingsunterkunft in einem Hotel, die einmal 150 bis 200 Flüchtlingen Platz bieten soll, ist erst in dieser Woche eröffnet worden. Bisher sind 27 Flüchtlinge eingezogen. Am Freitagabend schafften es immer wieder kleine Grüppchen von Anti-Flüchtlings-Demonstranten, in die Nähe des Hotels zu kommen. Eine Aktivistin, die sich für Flüchtlinge engagiert und die am Abend am Ort war, berichtete auf Twitter, ein Demonstrant habe einen Brandanschlag gegen die neue Flüchtlingsherberge angedroht: "Dann komme ich heute Nacht wieder und zünde das Ding an."
Die Initiative "Nein zum Heim" gab nach der Eskalation zu: "Vorne haben einige Unverbesserliche eigenmächtig die Route geändert und alle die dahinter liefen sind eben einfach hinterhergelaufen. Sie wussten es ja nicht besser." Die Initiative erklärte am Samstag auf ihrer Facebook-Seite weiter: "Die wenigen Leute, die auf Krawall gebürstet waren, haben allerdings die Bewegung und die vielen friedlichen Spaziergänger in ein schlechtes Licht gerückt." Zum Glück sei alles "halbwegs glimpflich" abgelaufen.
Nazi-Symbole an geplanter Unterkunft in Hoyerswerda
Erst am Donnerstag war im ostsächsischen Hoyerswerda eine geplante Unterkunft für Asylbewerber zum Ziel rechter Randalierer geworden - ausgerechnet also in der Stadt, die 1991 als Schauplatz fremdenfeindlicher Ausschreitungen weltweit Aufsehen erregte. Die Polizei nahm fünf Verdächtige zwischen 20 und 32 Jahren fest. Sie sollen die noch unbewohnte Turnhalle mit rechten Parolen und verfassungsfeindlichen Symbolen beschmiert und zahlreiche Fensterscheiben zerstört haben. Ein Zeuge hatte die Männer am späten Donnerstagabend beobachtet und die Polizei verständigt.
Proteste in Gera gegen Erstaufnahmelager
Deutlichen Unmut zeigten am Freitag in Gera fast 2000 Menschen: Sie wollen nicht akzeptieren, dass ein Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in ihrer Stadt angesiedelt wird. Thüringens Integrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) sprach zu den Demonstranten, wurde dabei aber immer wieder mit Zwischenrufen und Sprechchören gestört. Das Argument des Grünen-Politikers, wonach es in den beiden bisherigen Landeseinrichtungen in Eisenberg und Suhl keine Plätze mehr gebe, verhallte weitgehend. 2600 Unterschriften waren seit Bekanntwerden der Pläne gegen die neue Flüchtlingsunterkunft gesammelt worden.
Morddrohungen gegen Magdeburger Oberbürgermeister
Für den seit 2001 amtierenden Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) hat es ernste Konsequenzen, dass er sich mit dem Magdeburger Ableger der Anti-Islam-Bewegung Pegida angelegt hat. Er steht nun wegen Morddrohungen mit Nazisymbolen unter Personenschutz. Trümper bestätigte dem MDR: "Das ist so. Es gibt drei Schreiben an mich, die hier im Rathaus eingegangen sind. Im Abstand immer von zehn Tagen, wo das so ganz deutlich drin steht. Und das ist eine ganz eindeutige Morddrohung, unterschrieben mit dem Hitlergruß und Nazisymbolen, die draufgeklebt worden sind. Das ist die Realität." Der Staatsschutz ermittelt.
Bereits Anfang Februar hatte ein indirekter Mordaufruf in Bezug auf das Stadtoberhaupt, das sich Mitte März um die Wiederwahl bewirbt, für Aufsehen gesorgt. Er wurde dem Umfeld der islam- und flüchtlingsfeindlichen Initiative Magida zugerechnet. Unter anderem stand auf der Facebookseite von Magida in einem Kommentar "Ein Baum, ein Strick,...Trümper...usw."
Sonderkommission bei der Dortmunder Polizei
In Dortmund drangen Unbekannte in der Nacht zum Donnerstag in eine noch leer stehende Flüchtlingsunterkunft ein. Bei den Tätern handelt es sich offenbar um Neonazis. Sie hinterließen Aufkleber mit ausländerfeindliche Parolen. "Ausländer rein? Wir sagen Nein" und "Antifa-Gruppen zerschlagen" steht auf den Stickern, wie die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" berichtete.
Die Polizei in Dortmund reagierte auf Einschüchterungen von Rechtsextremisten gegen Bürger, Asylbewerber und Journalisten mit der Gründung einer neuen Sonderkommission "Rechts". Polizeipräsident Gregor Lange sagte, sie solle den Ermittlungs- und Kontrolldruck auf die rechte Szene dauerhaft hoch halten. In den vergangenen Monaten hatte es in Dortmund immer wieder Einschüchterungsaktionen und Drohungen von Rechtsextremisten gegeben. Unter anderem hatten Neonazis über Twitter und Facebook an Journalisten aus Dortmund Todesanzeigen mit ihrem Namen geschickt.
Der Polizeipräsident versicherte: "Wir werden es nicht hinnehmen, dass die Rechtsextremisten ein Klima der Angst, Einschüchterung und Besorgnis erzeugen wollen." Zu tun gibt es dagegen noch sehr viel - und das längst nicht nur in Dortmund.