EU-Wahlkampf in Kroatien: Nationalistische Töne überschatten Merkels Auftritt
Als Wahlkampfhelferin für Weber war Merkel nach Zagreb gereist. Doch wie jetzt bekannt wurde, überschatteten nationalistische Misstöne ihren Auftritt.
Die prominente Wahlkampfhelferin aus Deutschland bewegt zumindest in Kroatien auch im Herbst ihrer politischen Karriere noch immer die Massen. Erwartungsfroh waren mehr als 6000 Anhänger der konservativer Regierungspartei HDZ am Wochenende in die gut gefüllte Cibona-Halle in Zagreb gepilgert, um dem einzigen Europawahlkampfauftritt von Angela Merkel jenseits der deutschen Landesgrenzen beizuwohnen.
Nur Landes- und Parteiflaggen, aber kein Europabanner waren in der Halle zu sehen, in der die Kanzlerin unüblich deutlich vor dem Erstarken des Rechtspopulismus und Nationalismus warnte. „Der Nationalismus ist der Feind des europäischen Projekts“, so ihre Botschaft in Zagreb. Es gebe populistische Strömungen, die die Werte verachten würden, auf denen Europa aufgebaut sei: „Dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen.“
Als Würdigung seiner „europäischen Reformpolitik“ und „Ausdruck der Kraft der HDZ“, hatte Partei- und Regierungschef Andrej Plenkovic den ersten Besuch der Kanzlerin im Adria-Staat seit acht Jahren schon vorab gefeiert. Tatsächlich war Merkel zwar auch zur Unterstützung der HDZ, aber vor allem für den Landsmann und EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber angereist: Da sie sich mit Wahlkampfauftritten in Deutschland zu Gunsten der neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bewusst zurückhält, fiel auch aus Termingründen die Wahl auf Zagreb, um Weber den Rücken zu stärken.
Mit einigen Kroatisch-Brocken wusste Merkel ihre Gastgeber zwar zu begeistern. Doch ihre Mahnungen vor den Gefahren des Nationalismus wurden in Zagreb von auffällig nationalistischen Misstönen überschattet. So ließ sich der jugendliche HDZ-Spitzenkandidat Karlo Ressler von Ovationen umwogt statt über Europas Zukunft lieber über den umstrittenen Gedenktag an die „größten Tragödie des kroatischen Volkes“ im österreichischen Bleiburg aus: Wegen der mangelnden Distanzierung zum faschistischen Ustascha-Regime hatte die Diözese Klagenfurt in diesem Jahr erstmals keine Genehmigung zur Abhaltung einer Bischofsmesse für die Opfer der Massenhinrichtungen von kroatischen Ustascha-Soldaten nach Ende des Zweiten Weltkriegs erteilt.
Die Gastgeber spielten ein Lied des Ustascha-Barden "Thompson"
Dass ausführlich gefeierte Partei- und Staatsgründer Franjo Tudjman posthum vom UN-Kriegsverbrechertribunal 2017 als Mitglied einer „kriminellen Vereinigung“ zur ethnischen Säuberung der Herzegowina während des Bosnienkriegs (1992-1995) erklärt worden ist, schien auch Gastredner Weber kaum zu stören: Zur Freude der Gastgeber stellte er die HDZ-Ikone in eine Reihe mit den CDU-Legenden Konrad Adenauer, Helmut Kohl - und Merkel.
Kaum bewusst dürften sich die deutschen Gäste aber gewesen sein, wessen populäre Ode an die kroatische Heimat („Lijepa li si“) zur Freude des Publikums in der Cibona-Halle aus den Lautsprechern schepperte: Vermehrt wurden Konzerte des bekennenden Ustascha-Barden Marko Perkovic „Thompson“ in den letzten Jahren auch in deutschen Städten verboten. „Sie ließen für sie Thompson spielen und sprachen über Bleiburg“, kommentierte das regierungskritische Webportal „index.hr“ den Zagreb-Abstecher der Kanzlerin: „Begriff Merkel überhaupt, was auf der HDZ-Kundgebung passierte?“