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Noch hat Donald Trump nur als Besucher Zugang.
© imago/ZUMA Press

4 Tage nach der US-Wahl: Näher als gedacht

Im US-Wahlkampf ging es um rechts oder links. Nach Trumps Wahlsieg geht es um oben oder unten. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Für das, was in den USA geschieht, ist das Wort „Sensation“ zu schwach. Dort spielt sich eine Revolution ab. Es wird Monate dauern, ehe sich klärt, wohin sie führt und was unterwegs alles vom Kopf auf die Füße gestellt wird.

Trump redet plötzlich weich und versöhnlich

Für den Moment fällt Dreierlei ins Auge. Präsident Barack Obama und sein gewählter Nachfolger Donald Trump drängen darauf, die Spaltung zu überwinden und die Dynamik in die erprobten Bahnen des Machtwechsels zu zwingen. Parallel formen sich neue Allianzen, die aus den gewohnten Fronten der Republikaner gegen die Demokraten ausbrechen; Bernie Sanders bietet Trump Kooperation an. Drittens wirken die Spekulationen über die Regierungsmannschaft verfrüht. Trump orientiert sich da noch.

Revolutionen machen ein Land noch verwundbarer, als es in einer Phase des Interregnums ohnehin ist. Die Gefahr ist Obama und Trump offenkundig bewusst. Bei Obama ist das kein Wunder. Er hat die Macht im Winter 2008/09 mitten im Ausbruch der schwersten Finanzkrise seit Jahrzehnten übernommen. Er lernte es zu schätzen, dass George W. Bush die nationale Verantwortung über die persönlichen Verletzungen stellte. Im Wahlkampf zuvor hatte Obama Bushs Bilanz ähnlich pauschal niedergemacht wie Trump 2016 Obamas und Clintons Bilanz.

Er hofft auf Rat von Obama

Zwei Tage nach der Wahl lud der scheidende Präsident den kommenden ins Weiße Haus. Die Begegnung dauerte viel länger als geplant. Hinterher aß Trump all die hässlichen Worte auf, die er seit Jahren über Obama geäußert hatte. Der sei „ein guter Mann“, er habe höchsten Respekt und sei dankbar für dessen Rat, jetzt und künftig. Es gehört gewiss zur Pflicht von Präsidenten, das nationale Interesse im Auge zu haben. Persönliche Sympathie oder Antipathie ist ein Luxus, der ihnen nicht zusteht. Doch nach diesem spaltenden Wahlkampf ist es bemerkenswert, wie schnell die Menschen an der Spitze ein Vorbild geben, wie die Lager wieder ins Gespräch finden. Die Umwälzungen machen aber nicht Halt. Im gewohnten Denken liegen Welten zwischen dem linken Populisten Bernie Sanders und dem rechten Populisten Trump. In der Realität hatten die beiden um die selben Wählergruppen geworben: um weiße Familienväter, die sich als Verlierer des Strukturwandels sehen. Aus einst stolzen Industrieregionen wurde in der Globalisierung ein „Rust Belt“. Sanders und Trump benutzten dort sogar das selbe Vokabular. Das Wirtschaftssystem sei „rigged“: manipuliert zu Gunsten der Reichen und zu Lasten der Arbeiter. Beide klagten das Establishment an, schlugen aber zugleich verbal aufeinander ein, als läge die größte ideologische Distanz zwischen ihnen. Bis zuletzt wahrte Sanders die Parteidisziplin und bat seine Fans, für Clinton zu stimmen.

Sanders biete Kooperation an

Nun ist die Entscheidung gefallen. So treten die inhaltlichen Gemeinsamkeiten nach vorn. In manchem sind sich Sanders und Trump näher als Sanders und Clinton und auch als Trump und die Republikanerführung. „Wenn Mr. Trump ernsthaft eine Politik verfolgt, die das Leben der Arbeiterfamilien in unserem Land verbessert, dann bin ich bereit, mit ihm zusammenzuarbeiten“, bietet Sanders an.

Im Wahlkampf ging es um rechts oder links. Im Alltag geht es um unten oder oben. Da ist auch bei geordneter Machtübergabe zumindest Platz für ein Revolutiönchen.

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