Einreisestopp für die USA: Nach Trumps Niederlage - wie geht es weiter?
US-Präsident Donald Trump ist mit seinem Einreisedekret gescheitert. Vorerst. Wie geht der Konflikt weiter? Fragen und Antworten zum Thema.
Auch am Wochenende kann Donald Trump den Folgen seiner Entscheidungen nicht entfliehen. Am Samstagabend nahm der Präsident mit seiner Frau Melania in Florida an einem Wohltätigkeitsball des Roten Kreuzes teil, dessen Einnahmen zum Teil an jene Flüchtlinge gehen sollen, die von Trumps Einreisebeschränkungen betroffen sind. Demonstranten, die gegen Trumps Einreisestopp protestierten, belagerten die Veranstaltung. Laut Medienberichten wirkte der Präsident angespannt und wütend. „Wir werden gewinnen“, sagte er den Gästen demnach. Er sei sicher, dass die Justiz den Einreisestopp wieder in Kraft setzen würde. Doch er täuschte sich.
Wie ist die rechtliche Lage?
Nach mehreren Einsprüchen von Bundesrichtern hatte Richter James Robart in Seattle am Freitagabend die landesweite Aussetzung des Einreisestopps für Flüchtlinge und Menschen aus sieben muslimischen Ländern aufgehoben. Verärgert nannte Trump die Entscheidung des „sogenannten“ Richters „lächerlich“ und ließ das Justizministerium Einspruch einlegen. Bei der Gala in Florida zeigte sich Trump zuversichtlich, das zuständige Berufungsgericht in San Francisco werde Robarts Entscheidung aufheben. Doch statt dessen beließen die Richter in San Francisco am Sonntag das Urteil Robarts vorerst in Kraft und wiesen beide Seiten an, ihre Positionen bis Montagnachmittag Ortszeit weiter zu erläutern. Auch Klagen gegen Trumps Bann in anderen Bundesstaaten werden weiter verhandelt.
Richter Robart argumentierte, es gebe keine rechtliche Grundlage für die pauschale Abweisung von Menschen aus den betroffenen Ländern Irak, Iran, Jemen, Libyen, Somalia, Sudan und Syrien. Kein einziger Bürger dieser Länder sei in den vergangenen Jahren wegen Terrordelikten in den USA verhaftet worden. Robart betonte, er wolle sich nicht in die Politik einmischen, sondern nur über die Einhaltung von Recht und Gesetz wachen. Bob Ferguson, Justizminister im Bundesstaat Washington, nannte Robarts Urteil einen Sieg für die verfassungsrechtlich garantierte Gewaltenteilung. Dagegen betonte die Regierungsseite vor Gericht, einreisewillige Ausländer hätten kein Recht darauf, in die USA gelassen zu werden. Die Verfassung gebe dem Präsidenten das Recht, die Einreisebestimmungen zu gestalten.
Wie geht es weiter?
Trump-Gegner Ferguson sagte in einem Interview mit CNN voraus, der Fall werde früher oder später vor dem US-Verfassungsgericht landen. Schließlich handele es sich um eine Angelegenheit von großer Tragweite. Auch andere Beobachter rechnen damit, dass Trumps Einreisestopp dem obersten Gericht in Washington vorgelegt werden wird. Wie schnell das geschehen wird, ist allerdings unklar.
Im Verfassungsgericht herrscht derzeit ein Patt zwischen vier eher konservativen und vier eher liberalen Richtern. Trump hat den konservativen Juristen Neil Gorsuch für einen vakanten Richterposten in dem neunköpfigen Gremium vorgeschlagen. Doch Gorsuchs Bestätigungsverfahren im US-Senat dürfte sich wegen des Widerstandes der oppositionellen Demokraten in die Länge ziehen.
Unterdessen gehorchten die US-Behörden der Anweisung von Richter Robart und wiesen die Grenzbeamten an den Flughäfen sowie die internationalen Fluggesellschaften an, zu dem Verfahren zurückzukehren, das vor Trumps Erlass vom 27. Januar galt.
Wie ist die Lage an den Flughäfen?
Nachdem rund 60.000 US-Visa wegen des Einreisestopps annulliert worden waren, kamen am Wochenende die ersten Reisenden aus den betroffenen Staaten in den USA an. Die Fluggesellschaften hatten die Nachricht von der vorläufigen Aufhebung des Banns am Samstag an die Passagiere weitergegeben, von denen die ersten wieder für Flüge in die USA zugelassen wurden. Bürgerrechtsanwalt Kerry Doyle sagte am Samstag, am Flughafen von Boston hätten mehr als 40 Iraner nach der Anreise mit der Lufthansa über Frankfurt einreisen dürfen. Auch Tunesier und Syrer seien angekommen.
„Wir sind sehr glücklich“, sagte ein Iraner der britischen BBC. „Endlich haben wir die Erlaubnis bekommen, in die USA einzureisen.“ Die amerikanisch-muslimische Bürgerrechtsgruppe ADC rief alle Betroffenen auf, so schnell wie möglich in die USA zu reisen.
Was bedeutet das für Trump?
Für den Präsidenten sind die Gerichtsentscheidungen des Wochenendes eine empfindliche Niederlage. Entsprechend wütend reagierte er per Twitter: Er warf Robart vor, die nationale Sicherheit des Landes zu gefährden. „Viele sehr böse und gefährliche Leute könnten in unser Land strömen“, schrieb der Präsident. „Eine furchtbare Entscheidung.“ In einem weiteren Kommentar fragte er, was aus dem Land werden solle, wenn ein Richter eine Anweisung der Regierung kippen könne. Schon im Wahlkampf hatte Trump einen Bundesrichter wegen dessen mexikanischer Abstammung diffamiert.
Vizepräsident Mike Pence verteidigte Trumps Richterschelte mit dem Hinweis, die Amerikaner seien es gewohnt, dass der Präsident offen seine Meinung sage. Konservative Trump-Anhänger sind ohnehin sicher, dass der Einreisestopp früher oder später Wirklichkeit wird. Daran könnten auch „all diese juristischen Spitzfindigkeiten“ nichts ändern, kommentierte der frühere Abgeordnete Joe Walsh.
Über den konkreten Fall des Einreisestopps hinaus bedeutet der Einspruch der Justiz allerdings, dass die republikanische Trump-Regierung trotz der Mehrheit der eigenen Partei in beiden Häusern des Kongresses möglicherweise nicht so ungehindert agieren kann, wie sie sich das erhofft hatte. Laut Medienberichten gibt es auch innerhalb der Regierung viel Kritik an der Tatsache, dass weitreichende Entscheidungen wie das Reiseverbot von einem kleinen Kreis politisch unerfahrener Trump-Berater ohne Absprache mit den Fachministerien ausgearbeitet und veröffentlicht werden.
Was sagen die Gegner des Präsidenten?
Einige konservative Politiker vermissen bei Trumps Reaktion auf die richterlichen Einsprüche gegen den Einreisestopp zudem den nötigen Respekt vor der Gewaltenteilung. Der Präsident trage zur Erosion des Verfassungsgebots zur Kontrolle der Regierung durch die Justiz bei, wenn er diese Kontrolle als Willkürhandlung eines einzelnen Richters abkanzele, warnte Evan McMullin, ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter und unabhängiger Gegenkandidat Trumps bei der Präsidentenwahl. Auf seiten der Demokraten ist das Urteil ohnehin vernichtend. Trumps Kritik an Richter Robart demonstriere die Verachtung des Präsidenten für eine unabhängige Justiz, sagte Chuck Schumer, Fraktionschef der Demokraten im Senat.