Tröglitz in Sachsen-Anhalt: Nach Rücktritt von Bürgermeister: Auschwitz-Komitee fordert NPD-Verbot
Die NPD hatte den Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth, massiv eingeschüchtert, woraufhin dieser zurücktrat. Jetzt hat der Kreistag mit großer Mehrheit beschlossen, 40 Asylbewerber aufzunehmen. Das Internationale Auschwitz-Komitee fordert mehr Nachdruck beim NPD-Verbotsverfahren.
Auch nach den rechtsextremen Protesten in Tröglitz in Sachsen-Anhalt und dem daraus resultierenden Rücktritt des Bürgermeisters bleibt es bei der geplanten Unterbringung von etwa 40 Asylbewerbern in dem Ort. Das entschied der Kreistag des Burgenlandkreises am Montagabend. Die Entscheidung sei mit einer ganz breiten Mehrheit gefallen, sagte Landrat Götz Ulrich (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Ulrich sprach von einem "Signal", dass man nicht einknicke vor Demonstrationen, die von der NPD organisiert seien.
Auch das Internationale Auschwitz-Komitee schaltete sich ein und forderte mehr Nachdruck beim NPD-Verbotsantrag. "Der durch Hass erzwungene Rückzug des Bürgermeisters von Tröglitz zeigt einmal mehr, dass an einzelnen Orten Deutschlands der rechte Mob samt seinen bürgerlichen Mitläufern längst in der Lage ist, die demokratische Alltagskultur zu kippen und durch Hass und Gewaltandrohungen die Stimmung zu dominieren", sagte Vize-Exekutivpräsident Christoph Heubner laut einer Mitteilung am Dienstag bei einem Besuch der Gedenkstätte Auschwitz. Noch immer werde die "latente und alltägliche Gefährdung vor der eigenen Haustür" verkannt, warnte die Organisation von Holocaust-Überlebenden. "Während der Antrag (auf Verbot der NPD) irgendwo herumdümpelt, besetzen Rechte tagtäglich lokale Positionen im politischen und gesellschaftlichen System unseres Landes, um ihre Verachtung der Demokratie und ihren Haß gegenüber Andersdenken zu vebreiten."
Der parteilose Bürgermeister des 2700-Einwohner-Ortes, Markus Nierth, war zuvor zurückgetreten, weil Rechtsextremisten gegen die Flüchtlingsunterbringung vor seinem Wohnhaus demonstrieren wollten - und er sich von Landkreis, Parteien und Nachbarschaft alleingelassen sah. Nach Angaben Ulrichs sollen die Asylbewerber in Wohnungen untergebracht werden, die aber erst noch hergerichtet werden müssen. Dies wird ihm zufolge frühestens im Mai der Fall sein.
Nach dem Rücktritt des Bürgermeisters will das Land ehrenamtliche Politiker besser schützen. „Das Signal ist fatal. Da muss man politisch konsequent gegensteuern“, sagte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) am Montag in Magdeburg. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur äußerte sich der 46-Jährige Es-Bürgermeister enttäuscht, dass der Landkreis es nicht geschafft habe, die NPD-Demonstration vor dem Haus seiner Familie zu verhindern. „Meine Frau und ich wurden zur persönlichen Zielscheibe.“ Der Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich (CDU), sagte allerdings, der Kreis habe zur Zeit des Rücktritts noch nicht über ein Verbot entschieden. Am Montagabend sprach sich der Kreistag mit breiter Mehrheit für die Aufnahme der Asylbewerber in Tröglitz aus.
Demonstrationen vor Häusern von Politikern sollen verboten werden
Innenminister Stahlknecht will bis spätestens kommende Woche anordnen, dass die Landkreise und kreisfreien Städte solche Demonstrationen vor den Häusern ehrenamtlicher Politiker verbieten.
Er wies zugleich auf die geltende Rechtsprechung hin, wonach hauptamtliche Politiker derartige Demonstrationen in Sicht- und Hörweite zu ihrem Wohnhaus ertragen müssen.
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bedauerte den Rücktritt des Ortsbürgermeisters. Sachsen-Anhalt sei ein weltoffenes Land und habe sich ganz klar zum Asylrecht und zur Aufnahme von Flüchtlingen positioniert, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“.
Die Vorstandsvorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, nannte Nierths Rücktritt eine „Katastrophe für die lokale Demokratie“. Er zeige, dass es vielerorts noch immer keine tragende Zivilgesellschaft gebe - allen Anti-Pegida-Aktionen zum Trotz.
Nierth, im Hauptberuf Trauerredner, hatte sein Ehrenamt fünfeinhalb Jahre inne. Er betonte, Tröglitz sei kein radikales Nest. „Aber es fehlen die Sozialstrukturen. Dass im Ort 40 Asylbewerber untergebracht werden sollen, hätte anders vorbereitet werden müssen.“ (dpa)