Schießereien in den USA: Nach der Bluttat von Dallas drohen Rassenunruhen
Die Schießerei von Dallas hat gezeigt, wie gespalten die US-Gesellschaft ist. Die Spannung zwischen Polizei und Bürgerbewegungen ist weiter hoch.
An diesem Sonntag endet in den USA eine Woche, die wie ein fortlaufender Albtraum wirkt für ein Land, das seit Jahrzehnten mit Rassenunruhen und Diskriminierung zu kämpfen hat. Am Montag und am Mittwoch erschießen Polizisten zwei Afroamerikaner, keine 24 Stunden später richtet ein Afroamerikaner fünf Polizisten hin bei einer friedlichen Demonstration.
So klingt die fatale Schießerei von Dallas danach wie eine klassische Vergeltungstat. Der mutmaßliche Täter Micah Johnson soll sich noch während des mehrstündigen Schusswechsels mit der Polizei wütend über die „Black Lives Matter“-Bewegung geäußert haben, die an dem Abend im Zentrum der texanischen Stadt zu einem Marsch in Gedenken an die beiden von Polizisten erschossenen Afroamerikaner Alton Sterling (Louisiana) und Philando Castile (Minnesota) aufgerufen hatte.
„Er sagte, er sei wütend auf Weiße“, erklärte David O. Brown, der schwarze Polizeichef von Dallas am Morgen nach der Schießerei. „Er sagte, er wollte Weiße töten, vor allem weiße Polizeioffiziere.“ Johnson war von 2009 bis 2015 Reservist der US-Armee. So schnell und präzise muss er, der 2013 kurzzeitig in Afghanistan stationiert war, dabei an dem Abend vorgegangen sein, dass die Polizei am Anfang von mehreren Tätern ausging. Wer die bereits kurz nach der Tat festgenommenen anderen drei Verdächtigen sind (darunter eine Frau), hat die Polizei bislang aus ermittlungstechnischen Gründen nicht bekannt gegeben.
Am Tag danach kreisten in der Innenstadt von Dallas Hubschrauber über dem Tatort, dazu gab es ein riesiges Polizeiaufgebot an jeder Ecke, ganz wie ein demonstratives Zeichen der Stärke und Solidarität. Trotz der weiträumigen Absperrung konnte man hunderte gelbe Plastikhütchen der Spurensicherung sehen, die einzeln nummeriert über die Patronenhülsen gestülpt wurden. In Johnsons Wohnung fanden Polizisten bei der Durchsuchung Material zum Bombenbau, schusssichere Westen, Waffen, Munition sowie Literatur für militärische Angriffsstrategien. Auf Facebook soll er mit diversen „Black Pride“- Gruppierungen sympathisiert haben. Selbst wenn die Behörden inzwischen davon ausgehen, dass der 25-Jährige ein Einzeltäter war, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Schießerei auf die zerrüttete amerikanische Gesellschaft haben wird.
Versuch einer Deeskalation
Spätestens seit ein weißer Polizist 2014 den unbewaffneten 18-jährigen Schüler Michael Brown in Ferguson erschoss, ist Polizeigewalt gegenüber Schwarzen eins der am meisten aufgeladenen Themen in den USA. Allein 2015 starben mehr als 900 Bürger durch Polizeigewalt. Hört man sich jetzt nach der Schießerei ein bisschen um in Dallas, spricht viel für die verzweifelte Handlung eines Einzelnen. Dennoch ist die Spannung zwischen den beiden Lagern aus Polizei und Bürgerrechtsbewegungen immer noch überall präsent.
Für nächste Woche hat sich nun Präsident Barack Obama angekündigt, um der Opfer in Dallas zu gedenken. In der Stadt sind die Bürger nach der Bluttat um einen normalen Alltag bemüht. Trotzdem stehe den USA womöglich „ein langer, hitziger Sommer“ bevor, warnte G.K. Butterfield, der Vorsitzende des Congressional Black Causus, einer Organisation, die schwarze Abgeordnete im US-Kongress vertritt. Sollte sich die Situation nicht bald bessern, könnte es zu Rassenunruhen kommen, fürchten viele. Wer die Bilder von 1994 noch im Kopf hat, als vier Polizisten Rodney King in Los Angeles zusammentraten, weiß nur zu gut, dass oft ein Funke reicht, um einen Flächenbrand zu entfachen.
Die Polizei von Dallas, die allgemein als recht vorbildlich gilt in ihrer Arbeit und im Umgang mit Vorwürfen von Rassendiskriminierung, versuchte die Situation nach der Schießerei in Dallas sichtlich zu deeskalieren. Polizeipräsident Brown, der selbst einen Sohn durch Polizeigewalt verloren hat, mahnte, dass Gewalt als Reaktion auf Gewalt keine Lösung sei. „Worte werden dieser Gräueltat nicht gerecht, die unserer Stadt widerfahren ist“, teilte er mit. „Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir alles tun müssen, um diese tiefen Graben zwischen Polizei und Bürgern endlich zuzuschütten.“
Die Einsicht der Behörden, dass es ein gravierendes Problem zwischen beiden Gruppen gibt, ist vielleicht der erste Schritt, dem Problem endlich beizukommen. Mike Rawlings, der Bürgermeister von Dallas, rückte diesen Punkt in seiner Rede am Freitag noch einmal in den Vordergrund: „Wir können uns nicht vor der Tatsache verstecken, dass wir als Stadt, als Bundesstaat und als Nation mit Rassendiskriminierung zu kämpfen haben. Sie entzweit uns als Gesellschaft.“