Mullah Baradar: Mythischer Islamist soll für die Taliban mit USA verhandeln
Die Taliban haben ein Schwergewicht zu den Afghanistan-Verhandlungen mit den USA geschickt: Mullah Baradar. Er ist eine undurchsichtige Figur. Ein Porträt.
Die Taliban sehen offenbar eine historische Chance. Anders ist kaum zu erklären, dass ein Mann, der in der afghanischen Islamistenguerilla als mythische Figur gilt, jetzt nach Katar gekommen ist, um mit den Amerikanern über die Zukunft des Landes am Hindukusch zu verhandeln. Mullah Abdul Ghani Baradar, Anfang 50, schwarzer Vollbart, gilt als einer der Gründer der Taliban und war ihr Militärchef. Ein Veteran mit reichlich Blut an den Händen, aber er soll auch halbwegs pragmatisch sein. Aus Sicht der Islamisten ist Baradar das politische Schwergewicht, das mit US-Chefverhandler Zalmay Khalilzad ein Abkommen zu schließen vermag. Es könnte für die Taliban ein durchschlagender Erfolg werden.
Donald Trump will die amerikanischen Truppen baldmöglich aus Afghanistan abziehen. Dass er die Regierungsmitglieder in Kabul womöglich in Lebensgefahr bringt, scheint dem US-Präsidenten weniger wichtig zu sein. Weder der afghanische Staatschef Aschraf Ghani noch einer seiner Minister nimmt an den Gesprächen in Katars Hauptstadt Doha teil. Die Taliban wollen nicht mit dem „Marionettenregime“ reden, wie sie Ghanis Regierung nennen.
Trump lässt Verbündete außen vor
Doch Trump will sich mit den Islamisten einigen, um sein Wahlversprechen einzulösen, die US-Soldaten heimzuholen. Daher lässt er es zu, dass sein Verbündeter außen vor bleibt. Der wichtigste Afghane am Verhandlungstisch ist nicht Ghani oder ein Vertreter, sondern Mullah Baradar. Ginge es nicht um die Gespräche, wäre er für die Amerikaner nur ein Terrorist.
Von Baradar wollen die USA hören, dass die Taliban den Abzug der amerikanischen Soldaten nicht nutzen werden, Afghanistan wieder in ein großes Terrorcamp zu verwandeln. Damit sich ein Angriff wie der von Al Qaida am 11. September 2001 nicht wiederholt. Gut möglich, dass Baradar eine Zusage gibt. Dass sich die Taliban daran halten, wohl weniger. Das Bündnis mit Al Qaida scheint stabil zu sein.
Offen bleibt auch, ob die USA erreichen können, dass sich die Taliban verpflichten, irgendwann doch mit der Regierung in Kabul zu reden. Anstatt nach einem Abschied der US-Truppen zu versuchen, den Bürgerkrieg zu gewinnen.
Unklar ist zudem die Rolle Pakistans. Der Geheimdienst ISI hatte Baradar 2010 in Gewahrsam genommen und ließ ihn 2018 frei. Angeblich auf Bitte von US-Verhandler Khalilzad, der offenbar mit einem Mann reden will, der bei den Taliban über Autorität verfügt. Mit Baradar dürfte aber auch der ISI am Tisch sitzen. Die afghanische Regierung macht sich große Sorgen.
Frank Jansen