Zugriff in Grabow: Mutmaßlicher Unterstützer der Jenaer Terrorzelle festgenommen
In Brandenburg nehmen die Fahnder des Bundeskriminalamtes einen weiteren Neonazi fest. Der 32-Jährige soll die Jenaer Terrorzelle unterstützt haben.
Seit Tagen waren Fahnder des Bundeskriminalamtes (BKA) in dem kleinen brandenburgischen Ort Grabow, 85 Kilometer südwestlich von Berlin nahe der A9, unterwegs. Rund 100 Menschen leben hier, es sind nur wenige Straßen, ein paar Gehöfte, ringsherum Feld und Wald. Die Ermittler blieben bei den Bewohnern nicht unbemerkt. Am Donnerstagmorgen um 6 Uhr in der Früh schlug die Eliteeinheit GSG 9 dann zu und stürmte das Haus von Maik E. Dort, bei seinem Zwillingsbruder, war der 32 Jahre alte André E. aus Sachsen untergetaucht. Er wird beschuldigt, die terroristische Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) unterstützt zu haben.
André E. war offenbar davon ausgegangen, in Grabow, auf dem streng gegen neugierige Blicke abgeschirmten Grundstück, sicher zu sein. Sein Zwillingsbruder Maik, der bei den Ermittlungen um die Zwickauer Neonazi-Terrorzelle schnell ins Visier der Ermittler gerückt war, führt in dem Dorf seit vier Jahren ein ruhiges Leben. Einwohner beschreiben ihn als unauffällig, zurückhaltend und höflich, die Familie mit vier Kindern gilt als engagiert und vorbildlich, sie macht bei Dorffesten oder Putzaktionen mit oder organisiert ein Puppentheater mit Eltern für den bevorstehenden Adventsbasar.
„Das ist eine ganz normale Familie, denen würde man nie etwas Schlechtes anhängen“, sagte eine Grabowerin dem Tagesspiegel. „Aber es wussten ja alle hier ein bisschen davon, dass der mit rechten Sachen zu tun hat.“ Spätestens, als die Polizei vor drei Jahren das Dorf komplett abriegelte, weil auf dem Gehöft ein Treffen von Neonazis stattfand. Geschehen ist in dem Dorf seither nichts, Maik E. lebte weitgehend unbehelligt. „Sie versuchten niemals, jemanden zu bekehren“, sagte eine andere Frau.
Dabei ist der 32-Jährige ein führender Kopf der Neonazi-Szene in Brandenburg. Von Potsdam aus knüpfte er als Chef der örtlichen „Jungen Nationaldemokraten“ (JN), der Nachwuchsorganisation der NPD, ein Netzwerk jenseits der Parteistrukturen. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass die Zwillingsbrüder auch gemeinsam politische Aktionen planten. Hinweise auf eine Beteiligung von Maik E. am Terror der NSU gibt es aber bislang nicht.
Maik E. wird jedoch zu den „Exponenten“ einer Bewegung in der rechtsextremistischen Szene gezählt, die massiv auf Abstand zur NPD geht und unter dem Dach der JN lokale Neonazi-Strukturen gegen Verbote zu schützen versucht. Die Brüder André und Maik E. sollen zudem vor zehn Jahren im sächsischen Johanngeorgenstadt einer Clique von Neonazis angehört haben, die sich „Brigade Ost“ nannte. Zur Gang zählte offenbar auch Matthias D., der später, vermutlich 2008, in Zwickau die von ihm gemieteten Wohnräume den Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe überließ. Dieser Teil des Hauses brannte am 4. November aus, Zschäpe hatte das Feuer gelegt. Damit wollte die Frau wahrscheinlich auch Spuren vernichten, die der Polizei Hinweise auf Unterstützer hätten geben können. Einige Exemplare der DVD mit dem unsäglichen Paulchen-Panther-Video blieben aber vom Feuer verschont.
In dem Video bekennt sich die von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gebildete Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ zu einigen der insgesamt neun Morde an Gewerbetreibenden türkischer und griechischer Herkunft. Die zynische Propaganda wird mit Szenen aus der Comicserie „Der rosarote Panther“ kombiniert. Möglicherweise hatte Zschäpe mehrere DVDs mitgenommen, bevor das Haus in Zwickau abbrannte und teilweise in die Luft flog. Jedenfalls seien nach dem 4. November acht Exemplare der DVD mit dem Video verschickt worden, heißt es in Sicherheitskreisen. Ob Zschäpe alleine die DVDs abgesandt hat oder ob ihr jemand half, ist offen. Die Ermittler gehen allerdings davon aus, dass André E., der aktuell in Zwickau gemeldet ist, mit seiner Video-Firma den Paulchen-Panther-Film mitproduziert hat. Die technische Qualität des Streifens spreche für eine professionelle Bearbeitung, sagen Sicherheitsexperten.
Unterschiedliche Informationen gibt es zur möglichen Mitgliedschaft von André E., seiner Ehefrau Susann und Bruder Maik bei der früheren Neonazi-Organisation „Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ)“. Der Verein hatte knapp 20 Jahre lang Kinder und Jugendliche gedrillt, die eine kommende NS-Elite bilden sollten. Im März 2009 verbot der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die tiefbraune Truppe. Einige Sicherheitsexperten sagen, André E. und seine Frau hätten in der HDJ hochrangige Posten innegehabt, andere Fachleute hingegen schreiben nur Maik E. eine Rolle in der Organisation zu. Jedenfalls könnte eine Verbindung aus der Familie E. zur Heimattreuen Deutschen Jugend bedeuten, dass der Kreis der Unterstützer der Terrorzelle größer war als bisher bekannt. Die fanatischen Funktionäre des Vereins hingen eng zusammen und schotteten sich gegen die bürgerlich-demokratische Gesellschaft ab. Da ist nicht auszuschließen, dass HDJ’ler in die Hilfe für die Terrorgruppe eingebunden waren.
Maik E. stand nach Tagesspiegel-Recherchen auch nach dem Verbot der HDJ in engem Kontakt zu ehemaligen Führungspersonen, die ebenfalls in Brandenburg leben. Es habe Treffen gegeben, bei denen es um den Aufbau neuer Strukturen gegangen sei, sagen Fachleute.
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