Terroranschlag auf Gasfabrik in Frankreich: Mutmaßlicher Täter war Behörden seit 2006 bekannt
In der Nähe von Lyon hat ein Mann eine Gasfabrik attackiert und zuvor offenbar seinen Chef enthauptet. Der Täter wurde gefasst, er war 2006 wegen radikal-salafistischer Tendenzen bereits im Visier der Behörden.
Der Terroranschlag auf ein Werk für Industriegase in Frankreich ist vermutlich von einem Einzeltäter verübt worden. Es gebe bisher keine Hinweise auf einen Komplizen, sagte der für Terrorismus zuständige Staatsanwalt François Molins am Freitag in Paris.
Der mutmaßliche Täter Yassin S. sei in dem Werk als Lieferant bekanntgewesen, ebenso das bei dem Anschlag benutzte Fahrzeug. Der Wagen sei für Lieferungen an die Fabrik benutzt worden, sagte Molins. Das Auto sei dabei entweder von dem 35 Jahre alten Attentäter oder seinem Chef gesteuert worden. Der Arbeitgeber ist das einzige Todesopfer des Anschlags. Die enthauptete Leiche wurde laut Molins am Fabrikgelände gefunden, in der Nähe sei ein Messer entdeckt worden. Der Täter sei auf dem Gelände erwischt worden, als er versucht habe, eine Azeton-Flasche zu öffnen. Dabei sei er von Feuerwehrleuten überwältigt worden. Molins stufte die Situation in dem Werk als gefährlich ein. Die Fabrikation sei entsprechend den EU-Richtlinien in der nach der Katastrophe in Italien benannten Seveso-Kategorie eingestuft.
Mit dem Auto in die Fabrik gerast
Auf dem Gelände der Gasfabrik waren der Kopf einer Leiche und ein Transparent mit islamistischen Parolen gefunden worden, heißt es in französischen Medien. Der Kopf steckte auf einem Zaun, der die Gasefabrik umgibt. In der Nähe waren nach Angaben von Augenzeugen zwei schwarze Islamistenflaggen zu sehen. Der Attentäter sei mit einem Auto in die Anlage gerast und hätten mehrere Gasbehälter zur Explosion gebracht. Die Staatsanwaltschaft schickte Anti-Terror-Ermittler an den Ort des Geschehens rund 30 Kilometer von Lyon entfernt.
Der am Anschlagsort gefundene Leichnam sei der des Chefs eines Unternehmens aus der Region, in dem der Verdächtige angestellt war, wie Ermittler sagten. Das Transportunternehmen des Mannes hatte eine Zugangsgenehmigung zu der Gasfabrik.
Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, der mutmaßliche Attentäter stehe in Verbindung mit salafistischen Organisationen. Die Behörden seien bereits 2006 auf den 35-jährigen Yassine S. wegen radikaler Tendenzen aufmerksam geworden. Angeblich wurde er von einem Feuerwehrmann überwältigt. Nähere Angaben machte Cazeneuve zunächst nicht.
Später wurde auch die Frau des Festgenommenen nahe Lyon von der Polizei festgehalten. Dem Sender Europe-1 hatte sie zuvor berichtet, ihr Mann sei als Auslieferungsfahrer am Morgen zur Arbeit gegangen. „Wir sind normale Muslime“, versicherte sie. Sie selbst habe aus dem Fernsehen von dem Anschlag erfahren. Der Präfekt der Region Isère, Jean-Paul Bonnetain, deutete im Gespräch mit dem „Figaro“ an, dass der Täter in dem Werk gearbeitet haben könnte. Das Tatauto habe eine Zugangsberechtigung für das Werk gehabt.
Solidarität aus Deutschland
Das Bundesinnenministerium in Berlin erklärte, es spreche einiges für einen Anschlag. Die Lage sei aber noch nicht abschließend geklärt. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sprach am Freitag in Berlin von einem „abscheulichen Attentat“. Im Kurzmitteilungsdienst Twitter schrieb er in einer Mitteilung auf Französisch: „All unsere Solidarität und unser Mitgefühl.“
Erhöhte Sicherheitsstufe
Die Gasfabrik gehört dem US-Konzern Air Products, wie eine Sprecherin des französischen Unternehmens Air Liquide aus derselben Branche sagte. Welchen Hintergrund die Auswahl dieses Angriffsziel hat, blieb zunächst unklar. Die Lokalzeitung "Le Dauphine" berichtete, ein abgetrennter Kopf bedeckt mit einem Transparent mit arabischen Schriftzeichen sei gefunden worden. Dem Blatt zufolge fuhr das Auto kurz vor 10 Uhr auf das Gelände und raste dort hin und her, um Gas-Behälter zu treffen.
Frankreichs Premierminister Manuel Valls hat kurz nach dem Anschlag die Sicherheitsvorkehrungen für die gesamte Region erhöhen lassem. Die Behörden sollten "sofort" in der ostfranzösischen Region Rhône-Alpes die Sicherheitsvorkehrungen für Einrichtungen verstärken, die als gefährdet eingestuft werden könnten, verlautete am Freitag aus dem Umfeld von Valls. Innenminister Bernard Cazeneuve wollte sich umgehend zum Anschlagsort begeben, eine auf die Herstellung von Gasprodukten für die Industrie spezialisierte Fabrik in Saint-Quentin-Fallavier südöstlich von Lyon.
In Frankreich waren im Januar bei einer islamistischen Anschlagsserie auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" und auf einen jüdischen Supermarkt insgesamt 17 Menschen getötet worden. (Reuters, AFP,dpa)