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Kritik von den Partnern: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).
© Soeren Stache/dpa

Berlins Bürgermeister: Müller erntet Kritik für seine Haltung zum Familiennachzug

Knatsch in der Berliner Landeskoalition und Rüffel für einen CDU-Ministerpräsidenten - aber die Aussetzung des Familiennachzugs bei Flüchtlingen kommt im Bundesrat durch.

Manchmal geraten Ministerpräsidenten zwischen die Koalitionsverträge. Am Freitag erging es gleich zwei Länderchefs so, in der Bundesratsdebatte über die Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus. Es war zu entscheiden, ob die Länderkammer dem Beschluss von Bundestag und Bundesregierung folgt, den Nachzug nochmals bis Juli auszusetzen – oder ob eine Mehrheit ein Vermittlungsverfahren zum Zwecke der Gesetzesänderung verlangt. In die Bredouille gerieten der Berliner Regierende Bürgermeister von der SPD und der christdemokratische Ministerpräsident von Schleswig-Holstein: Michael Müller, weil er der Bundeslinie folgte, Daniel Günther, weil er das nicht tat.

Union und SPD hatten sich in ihren Koalitionsverhandlungen für eine neue Bundesregierung darauf verständigt, die Mitte März auslaufende Aussetzung des Nachzugs nochmals zu verlängern. Der Kompromiss sieht vor, dass danach vom 1. August an bis zu tausend Familienangehörige pro Monat nachziehen dürfen. Die Auswahl ist nicht geklärt. Einen Anspruch auf Familienzusammenführung soll es für subsidiär Schutzberechtigte, die nur eine Duldung haben, aber keinen Asylanspruch, weiterhin nicht geben.

"Parteitaktische Ergebenheitsadresse"

Müllers Entscheidung, sich wie fast alle Regierungschefs von Union und SPD hinter die Bundeslinie zu stellen, bedeutete, dass Berlin dem Antrag von Schleswig- Holstein, den Beschluss im Vermittlungsausschuss zu entschärfen, nicht zustimmte. Freilich ist die Berliner Regierungslinie eine andere – was Kultursenator Klaus Lederer ( Linke) Müller auf offener Szene vorhielt. Demnach haben SPD, Linke und Grüne in der Hauptstadt vereinbart, den Familiennachzug zu erleichtern und eine weitere Aussetzung abzulehnen. Müllers Entscheidung sei eine „parteitaktisch motivierte Ergebenheitsadresse an eine mögliche kommende Bundesregierung“.

Das Gesetz sei nicht human, sondern zynisch, sagte Lederer. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop von den Grünen zeigte sich in einer Stellungnahme ebenfalls unzufrieden mit Müllers Verhalten: „Wer Integration will, muss Geflüchteten Perspektiven auf ein Zusammenleben mit den Familien bieten. Hierzu haben wir in Berlin eine eindeutige Haltung im Koalitionsvertrag festgehalten.“ Der SPD aber sei die „Koalitionstreue zur wackligen Groko im Bund“ wichtiger. „Ich empfehle der SPD eine schnelle Rückkehr zur gemeinsam beschlossenen Basis unserer Zusammenarbeit.“

Im Norden liberaler

Dass ausgerechnet Schleswig-Holstein den Antrag stellte und gegen die schwarz- rote Verabredung verstieß, hatte wiederum mit dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, Grünen und FDP im Norden zu tun. Auch dort ist eine liberalere Haltung zum Familiennachzug vereinbart worden. Im Gegensatz zu Müller war Ministerpräsident Günther die Geschlossenheit seiner Landeskoalition offenbar wichtiger als der Bundesbeschluss. Seine Vize-Ministerpräsidentin Monika Heinold von den Grünen stellte die Position des Landes vor, wonach im Vermittlungsverfahren erreicht werden sollte, „dass der Aussetzungszeitraum verkürzt, zumindest jedoch nicht verlängert wird“.

Dem schloss sich auch die rot-rot-grüne Thüringer Regierung an. Alle anderen nicht. Günther musste sich für seinen Entschluss hinter den Kulissen heftige Vorwürfe gefallen lassen. Wie es hieß, gab es am Donnerstagabend in der Unions-Spitzenrunde deutliche Kritik an seinem Verhalten, auch von Kanzlerin Angela Merkel. Immerhin habe Günther den Koalitionsvertrag im Bund mitverhandelt, lautete der Vorwurf. So wie viele Ministerpräsidenten – nur dass der Kieler CDU-Mann eben den Vertrag im eigenen Land am Ende höher wertete.

Albert Funk

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