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Opfer des Krieges. Ein Vater versucht nach einem Bombenangriff in Aleppo, seine beiden Kinder in Sicherheit zu bringen.
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Kampf gegen IS: Moskauer Offerte mit Fragezeichen

Die USA versuchen zu analysieren, was es mit Russlands Angebot in der Syrien-Frage auf sich hat – und welche Strategie Putin verfolgt.

Es war das dritte Telefonat innerhalb von zehn Tagen. Seit Russland begonnen hat, eine unbekannte Zahl an Gerät und Truppen in Syrien zu positionieren, arbeiten Geheimdienste der USA und verbündeter Staaten an einer Analyse, welche Absichten Kreml-Chef Wladimir Putin dort verfolgt. Deshalb ist US-Außenminister John Kerry inzwischen mehrfach bei seinem Amtskollegen Sergej Lawrow telefonisch vorstellig geworden. Nun hat Russland den USA militärische Absprachen in Aussicht gestellt. "Wir nehmen nichts für bare Münze", kommentierte Kerry die Offerte. Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, sagte, denkbar seien "taktische, praktische Debatten" mit Moskau.

Die USA sind jedoch skeptisch

Ob es bei den vorgeschlagenen Konsultationen nur um einen Informationsaustausch zu militärischen Stellungen gehen soll oder ob tatsächlich eine Zusammenarbeit im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zur Debatte steht, ist bislang unklar. Lawrow habe ihm, sagte Kerry, versichert, Russland sei nur daran interessiert, den IS zu bekämpfen. Die USA sind jedoch skeptisch. "Offensichtlich sind daran Zweifel angebracht", sagte Kerry.

Washington geht davon aus, dass Putin vor allem einen militärischen Schutzschild für den syrischen Machthaber Baschar al Assad aufbaut. Um Genaueres zu erfahren, hat Kerry auch mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu telefoniert. Dieser reist in der kommenden Woche nach Moskau, wo die Syrien-Frage auch zur Sprache kommen soll. Außenministerium, Verteidigungsministerium und Weißes Haus wägen jetzt den Vorschlag. Man habe ein großes Interesse daran, "militärische Beeinträchtigungen zu vermeiden", sagte Earnest. Seit der Ukraine- Krise liegen direkte militärische Konsultationen zwischen den USA und Russland bislang still. Die USA, die ein internationales Bündnis gegen die IS-Kämpfer anführen, würden jedoch eine "konstruktive Unterstützung" Moskaus begrüßen.

Offenbar starben wieder Dutzende Zivilisten durch Angriffe des Regimes

Russland ist ein enger Verbündeter Assads, der ebenfalls gegen den IS kämpft, nach Ansicht der USA die Unterstützung seines Volkes aber weitgehend verloren hat. In dem seit mehr als vier Jahren tobenden Bürgerkrieg wird ihm vorgeworfen, auch unschuldige Frauen und Kinder mit Fassbomben anzugreifen sowie Giftgas und Folter gegen die Bevölkerung einzusetzen. So sollen bei Luftangriffen des syrischen Regimes auf Aleppo nach Angaben von Aktivisten 53 Menschen gerade wieder getötet worden sein. Wie die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte, bombardierten Kampfflugzeuge von Mittwoch bis Donnerstag mehrere von den Rebellen gehaltene Stadtteile mit Fassbomben. Unter den Toten waren demnach 15 Kinder und Frauen. Mehrere Zivilisten wurden zudem schwer verletzt, wie der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Mehr als 250.000 Menschen sind dem Konflikt bislang zum Opfer gefallen

Mehr als 250.000 Menschen sind dem Konflikt bislang zum Opfer gefallen. Die vergangenen Monate waren nach Einschätzung von Experten die verlustreichsten des gesamten Krieges. Putin schmiedet bereits seit Längerem eine internationale Koalition, die aus Sicht Moskaus die Dschihadisten des IS bekämpfen soll. Vor allem im Westen warnen Beobachter aber vor einer solchen De-facto-Unterstützung des Regimes in Damaskus. Dies würde ihrer Ansicht nach den Krieg und damit die Flüchtlingskrise verlängern.

Experte fordert, Baschar al Assad in Lösung einzubinden

Der Nahost-Experte Stephan Rosiny plädiert für eine Lösung ohne Sieger und Verlierer. Auch Machthaber Assad müsse zumindest in eine Übergangslösung eingebunden werden, sagte der Experte des Giga Instituts für Nahost-Studien am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur. Andernfalls seien nach einem militärischen Kollaps des Assad-Regimes Massaker an der alawitischen Bevölkerung zu befürchten. "Der libanesische Bürgerkrieg wurde mit der Formel beendet: ,Keine Sieger, keine Besiegten’", betonte Rosiny. Das müsse auch für Syrien gelten, wo sich Saudi-Arabien, der Iran und sunnitische Gruppen einen Stellvertreterkrieg lieferten.

Es werde keinen Ausweg aus der Krise geben, wenn immer nur gefordert werde, dass Assad weg müsse. "Externe Akteure" könnten Rosiny zufolge bei der Konfliktlösung in Syrien helfen. "Die USA und westliche Mächte müssen auf ihre regionalen Akteure – das heißt die Golf-Staaten, die Türkei und andere Länder – Druck ausüben, dass sie aufhören, die militanten oppositionellen Gruppen so stark zu unterstützen. Auf der anderen Seite müsse Russland, müsse der Iran Druck auf Machthaber Assad ausüben, dass er einer Übergangslösung zustimmt. (mit dpa)

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