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Herzen und ein Foto kleben an der Tür zur Wohnung der 85-jährigen Holocaust-Überlebenden Mireille Knoll, in der sie am Freitag tot aufgefunden worden ist.
© dpa

Antisemitismus: Mord an Holocaust-Überlebender alarmiert Frankreich

Die französische Jüdin Mireille Knoll entging 1942 in Paris den Deportationen. Nun ist sie in ihrer Wohnung ermordet worden, die Polizei geht von antisemitischen Motiven aus.

Der Fall sorgt für Erschütterung – in Frankreich und im Ausland. Die 85-jährige Holocaust-Überlebende Mireille Knoll wurde tot in ihrer Pariser Wohnung gefunden, elf Messerstiche wiesen auf einen gewaltsamen Tod hin. Die Polizei geht von einem Verbrechen mit antisemitischen Motiven aus. Antisemitismus ist in Frankreich immer noch ein großes Thema. Gerade dieser Tage stellte die Regierung einen Plan gegen Rassismus und Antisemitismus vor, der vorsieht, vor allem strikter gegen Inhalte im Internet vorzu gehen.

Präsident Emmanuel Macron erklärte auf Twitter: „Ich wiederhole meine Entschiedenheit, gegen Antisemitismus zu kämpfen.“ Auch Innenminister Gérard Collomb empörte sich über den abscheulichen Mord an der Holocaust-Überlebenden und erklärte auf Twitter: „Alles wird unternommen, um die Täter dieses barbarischen Verbrechens zu ermitteln.“

Mireille Knoll war neun Jahre alt, als sie im Juli 1942 knapp einer Razzia entkam, weil sie mit ihrer Mutter kurz vorher aus Paris geflüchtet war. Damals wurden 13000 Juden von französischen Polizisten auf Anordnung der Deutschen festgenommen, die meisten von ihnen danach in Konzentrationslager gebracht. Nun wurde in Knolls Wohnung Feuer gelegt, nachdem sie erstochen wurde. Ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Verdächtige wegen vorsätzlicher Tötung wurde vier Tage nach Entdeckung der Tat eingeleitet. Unter anderem soll ein muslimischer Nachbar festgenommen wurden sein.

Frankreichs jüdische Organisationen sind alarmiert. Im April 2017 gab es einen ähnlichen Fall. Die 65-jährige Jüdin Sarah Halimi wurde von ihrem Nachbarn misshandelt und aus dem Fenster ihrer Wohnung gestürzt. Der muslimische Nachbar war vorher mehrmals durch antisemitische Aussagen aufgefallen und Zeugen hörten, wie er den Koran während des Angriffs zitierte. Der Täter bezeichnete die Rentnerin vorher als „Teufel“. Aber erst nach Monaten war die Tat als antisemitisch von den Behörden eingestuft worden. Im Fall von Mireille Knoll ging es schneller.

Jüdische Organisationen riefen für den Mittwoch zum Gedenkmarsch in Paris auf

Francis Kalifat, der Vorsitzende des Dachverbandes der jüdischen Organisation (Crif), sprach von einem „barbarischen Akt“ und einer „tiefen Beunruhigung der Juden Frankreich“. Crif und einige andere jüdische Organisationen riefen für Mittwochnachmittag zu einem Gedenkmarsch in Paris auf. Das Gefühl der Unsicherheit der Juden in Frankreich hat seit der Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt in Paris durch islamische Terroristen im Januar 2015 weiter zugenommen.

Neu ist es nicht. In den 1990er Jahren schändeten Rechtsradikale jüdische Friedhöfe. Doch seit einiger Zeit fürchten zahlreiche Juden eine zunehmende Islamisierung in Frankreich. Vor zehn Jahren kam es im 19. Pariser Arrondissement, in dem viele Juden und Muslime leben, zu Konfrontationen zwischen jüdischen und muslimischen Jugendlichen und teilweise brutalen Übergriffen.

Zwischen 2013 und 2017 wanderten 27000 französische Juden nach Israel aus (siehe Kasten). Fast dreimal so viel wie in den fünf Jahren vorher. Im Jahr 2015, nach dem Anschlag in Paris, waren es mit 8000 besonders viele. Seitdem ist die Zahl wieder rückläufig. Insgesamt leben lauf Crif in Frankreich rund 500000 Juden, vor allem in Paris und Umgebung.

Das französische Innenministerium beobachtet antisemitische Ausschreitungen und stellte fest, dass diese meist mit aktuellen Ereignissen vor allem im Nahen Osten stehen. So kam es Anfang der 2000er Jahre, dem Beginn der zweiten Intifada, vermehrt zu Übergriffen, Reaktionen gab es auch immer wieder auf schockierende Bilder aus Gaza und getötete Palästinenser, so 2014 als es zu Angriffen auf Synagogen in Sarcelles bei Paris kam, weil Israel im Gazastreifen Krieg führte.

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