Bericht zur weltweiten Flüchtlingskrise: Mit Kofi Annan im Flüchtlingsheim in Marienfelde
„Die machen eine Menge Lärm“, sagt Kofi Annan über die AfD. Der frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen meint, die Unionsparteien in Deutschland müssten den Bürgern mehr erklären.
Migration aus freien Stücken macht die Welt grundsätzlich zu einer besseren. Davon sind die „Elders“ überzeugt. Die vom Befreier Südafrikas, Nelson Mandela, gegründete Gruppe angesehener, nicht mehr politisch aktiver Diplomaten hat ihren Bericht zur weltweiten Flüchtlingskrise am Dienstag in Berlin veröffentlicht. In Berlin deshalb, „weil Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr so geführt hat, wie es uns die Europäer seit Jahrzehnten predigen“, sagte der frühere algerische Außenminister Lakhdar Brahimi. Die anderen Europäer hätten dagegen nicht ihren Werten entsprechend gehandelt, ergänzte Kofi Annan. Der frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen ist der Vorsitzende der Elders.
Sie respektierten und bewunderten Merkel für ihre Führungsstärke, sagte Annan. Er erwarte übrigens auch, „dass Mutti politisch überleben wird“, sagte er auf die Frage nach rechten, populistischen Parteien wie der AfD und dem Tohuwabohu in den Unionsparteien. „Die machen eine Menge Lärm“, sagte Annan über die AfD, „und leider stehen die Politiker der Mitte nicht auf und erklären ihre Politik. Die Leute sind ja nicht dumm. Wenn man erklärt, warum es nötig ist, Flüchtlinge aufzunehmen, verstehen sie es auch.“
Mit dem Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari und Brahimi besuchte Annan ein Flüchtlingsheim in Marienfelde. Das vom Internationalen Bund (IB) betriebene Heim ist eine Siedlung mit 200 Wohnungen. Etwa 700 Menschen aus Syrien, aus Afghanistan, aus Serbien, Nigeria, Eritrea und einem Dutzend weiteren Ländern leben dort. Mit elf Bewohnern trafen sich die drei Besucher, um zu hören, wie es den Flüchtlingen in Deutschland ergeht. Elf Flüchtlinge, die Englisch können, und die bis auf eine Nigerianerin, die aus Libyen flüchten musste, auf legalen Wegen nach Deutschland gekommen sind.
Aber selbst der Bundeswehr-Übersetzer aus Afghanistan, die Roma-Familie aus Serbien mit einem dauerhaften Aufenthaltstitel, der junge Eritreer, der über ein Umsiedlungsprogramm der UN in Berlin gelandet ist, oder die Syrer beklagten alle eines: mangelnden Respekt mancher Deutscher in Ämtern, von Wohnungsvermietern und möglichen Arbeitgebern. Eine Roma-Familie lebt seit vier Jahren im Wohnheim, weil es ihr nicht gelingt, eine Wohnung außerhalb anzumieten. Beim Jobcenter bekämen sie zu hören, wenn sie keine Wohnung hätten, könnten sie auch keine Arbeit bekommen. Und bei Wohnungsbesichtigungen heiße es: Ohne Arbeit vermieten wir nicht.
Selbst wenn die Lebensbedingungen im Vergleich zu den Flüchtlingscamps im Nahen Osten oder Ostafrika viel besser sind, tun sich die Flüchtlinge mit dem Ankommen in Deutschland schwer, stellte Annan fest. Dennoch sei die deutsche Politik richtig gewesen, betonte er. Falsch dagegen findet Annan das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei und die Verträge mit dem Sudan und Eritrea. „Dafür zu bezahlen, dass sie Menschenströme eindämmen, ist keine ethische oder dauerhafte Strategie“, heißt es im Elders-Bericht. Die drei erfahrenen Diplomaten wünschen sich weniger Panik, mehr Achtung von Menschenrechten und eine Politik, „die ihren eigenen ethischen Ansprüchen genügt“.