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Viele Kosovaren kommen über Serbien und Ungarn in die EU.
© Zoltan G. Kelemen/dpa

Flüchtlinge aus dem Kosovo: Mit falschen Versprechen nach Deutschland gelockt

Die Zahl der Asylbewerber aus dem Kosovo ist sprunghaft angestiegen. Die Innenminister von Bund und Ländern wollen die Verfahren nun beschleunigen.

Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich am Freitag in einer Telefonkonferenz darauf verständigt, ein beschleunigtes Asylverfahren für Kosovaren einzuführen. Der Zustrom von Asylbewerbern aus dem Balkanland ist in den vergangenen Monaten sprunghaft angestiegen. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD), der die Konferenz initiiert hatte, sagte, allein in den ersten 13 Februartagen seien annähernd so viele Menschen aus dem Kosovo nach Niedersachsen gekommen, wie im gesamten Januar aus allen Staaten zusammen. „Das ist eine völlig neue, kaum zu bewältigende Größenordnung.“ Das Schnellverfahren für Menschen aus dem Kosovo sei damit auch ein Schutz für Flüchtlinge aus Krisenherden wie Syrien oder dem Irak.

Serbien schaut weg

Mehr als 35 000 Menschen sollen das Kosovo seit Beginn des Jahres verlassen haben. Die meisten gelangen in Bussen über Serbien nach Ungarn und damit in den sogenannten Schengenraum der EU, mit seinen offenen Grenzen. Serbien lässt die Flüchtlinge offenbar passieren, Ungarn ist mit dem Ansturm überfordert.

Schon 18.000 Flüchtlinge in diesem Jahr

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind 2015 bereits 18 000 Kosovaren nach Deutschland eingereist. Mehr als 3000 stellten im Januar einen Antrag auf Asyl. 2014 waren es insgesamt 7000. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Johannes Dimroth, erklärte, dass die Asylverfahren künftig binnen zwei Wochen bearbeitet werden sollten. Dafür sei geplant, die Bewerber in Erstaufnahmeeinrichtungen unterzubringen. Die hauptsächlich betroffenen Bundesländer seien Niedersachsen, Bayern, Baden- Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

Zur Bearbeitung der Asylanträge sollen Pistorius zufolge zusätzliche Stellen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geschaffen werden, das bereits 2014 um 650 Stellen aufgestockt worden war. Die Gesuche von Asylbewerbern aus dem Kosovo werden von den Ministern als unbegründet erachtet. Tatsächlich liegt die Anerkennungsquote von Kosovaren bei nur 0,3 Prozent, da zum überwiegenden Teil wirtschaftliche Not und keine politische Verfolgung Grund für die Flucht ist.

NRW will Fluchtursachen bekämpfen

Der Innenminister Nordrhein-Westfalens, Ralf Jäger (SPD), sagte, den Menschen im Kosovo müsse klargemacht werden, dass sie „Opfer falscher Versprechungen“ seien und mit ihren letzten Ersparnissen kriminelle Schlepper bezahlten. Gleichzeitig forderte er mehr Anstrengungen bei der Bekämpfung der Ursachen der Armutsmigration aus dem Balkanstaat. „Nur wenn sich die Lebensverhältnisse der Menschen im Kosovo verbessern, können wir ihnen wirklich Hoffnung auf eine bessere Zukunft machen.“

Katastrophale wirtschaftliche Lage

Auch sieben Jahre nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von Serbien ist die wirtschaftliche Lage in dem jungen Staat mit seinen 1,8 Millionen Einwohnern dramatisch schlecht. Wer keine Verwandten im Ausland hat, die regelmäßig Geld überweisen, kann gerade jetzt im Winter schnell in Not geraten. Nur etwa jeder Dritte Kosovare hat Arbeit. Die umfangreiche Aufbauhilfe der EU bewirkte kaum etwas. Im Gegenteil: Unter den Augen der im Land stationierten ausländischen Truppen, auch deutscher, sowie einer EU-Behörde, die den Aufbau eines kosovarischen Rechtsstaates überwachen soll, haben sich Korruption und organisierte Kriminalität breitgemacht. Das Kosovo gilt heute als Umschlagplatz im europäischen Drogen- und Menschenhandel. Führende Politiker stehen im Verdacht, in illegale Machenschaften verstrickt zu sein.

Organisierte Kriminalität

Und während die Gesundheitsversorgung für normale Kosovaren katastrophal ist, gibt es entlang der Hauptverbindungsstraße zwischen dem von Serben bewohnten Norden des Landes und der Hauptstadt Pristina Privatkliniken und Kinderwunschzentren, die möglicherweise unter Ausnutzung der Armut illegale Geschäfte betreiben. Vor wenigen Jahren flog bereits ein internationaler Organhandelsring auf, an dem auch eine Klinik im Kosovo beteiligt war. Die Entwicklung wird aber auch durch die Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Albanern und der serbischen Minderheit im Land gehemmt. Sie bestimmt auch Jahre nach der Unabhängigkeit die Politik im Kosovo.

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