Angela Merkel in der Türkei: Mit der Nato gegen Schlepper
Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr türkischer Amtskollege wollen Schiffe des Militärbündnisses in der Ägäis einsetzen. Das ist durchaus möglich.
Diesmal hat Angela Merkel die Nato überrascht. Bei ihrem Besuch in Ankara hatte die Bundeskanzlerin am Montag gesagt, es müsse erörtert werden, inwieweit die Nato die Überwachung des Seegebiets zwischen der Türkei und Griechenland unterstützen könne. Das hatte sie zuvor mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu besprochen. Die türkische Seite hatte die Hilfe der Nato dabei offenbar angeregt, was Merkel dann aufgriff. Allerdings war der Vorstoß weder mit den anderen Nato-Partnern noch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg abgestimmt. Nach Informationen des Tagesspiegels gibt es innerhalb der Nato aber durchaus Sympathien für eine Einbindung der Allianz bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Italien beispielsweise, das selbst Ziel vieler Flüchtlingsboote ist, sei für jede Unterstützung dankbar, hieß es am Dienstag im Umfeld der Nato in Brüssel.
Merkel und Davutoglu berufen sich bei ihrem Plan für einen Nato-Einsatz in der Ägäis offenbar auf das strategische Konzept, das die Allianz 2010 in Lissabon beschlossen hatte. Darin wird der Kampf gegen Menschenhandel klar als Aufgabe der Nato definiert. Mit anderen Worten: Ein Nato-Einsatz gegen Schlepper ist keine völlig neue Idee, sondern gehört seit Jahren zur Sicherheitsstrategie des Verteidigungsbündnisses.
Stoltenberg sagte denn auch am Dienstag, die Initiative zum Vorgehen gegen Schlepperbanden werde „sehr ernsthaft“ geprüft. Er habe zu dem Vorhaben bereits sowohl mit Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als auch mit dem türkischen Ressortchef Mehmet Fatih Ceylan Telefongespräche geführt. Bei dem am heutigen Mittwoch beginnenden Treffen der Nato-Verteidigungsminister erwartet Stoltenberg zunächst „mehr Details“ zu dem Vorhaben. Eine Entscheidung wird seiner Einschätzung nach dort noch nicht fallen.
Eine Million Flüchtlinge kamen über die Ägäis
Die Flüchtlingskrise erfülle alle Nato-Mitglieder mit großer Sorge, ergänzte Stoltenberg. Er wies darauf hin, dass die Nato bereits Ende des vorigen Jahres beschlossen habe, die Türkei auch auf See stärker zu unterstützen. Einwände könnten jedoch vor allem von Griechenland vorgebracht werden, das ein äußerst gespanntes Verhältnis zur Türkei und dieser wiederholt vorgeworfen hat, nicht entschlossen genug gegen Schlepperbanden auf ihrem Territorium vorzugehen. Die beiden Staaten kooperieren bisher kaum in der Flüchtlingskrise, obwohl sich der Seeweg zwischen der türkischen Küste und den nahe gelegenen griechischen Inseln im vergangenen Jahr zur Hauptroute von Flüchtlingen mit Ziel Europa entwickelt hat. Mehr als eine Million Flüchtlinge kamen 2015 über die Ägäis in die EU. In diesem Jahr waren es nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration bereits mehr als 76.000. Mindestens 409 Flüchtlinge sind seit Jahreswechsel bei der Überquerung ertrunken. Merkel informierte den griechischen Regierungschef Alexis Tsipras am Dienstag telefonisch über die Ergebnisse ihres Besuches in der Türkei. Der angestrebte Einsatz der Nato in der Ägäis habe dabei im Mittelpunkt gestanden, teilte die Sprecherin der Regierung in Athen, Olga Gerovasili, mit. Tsipras habe klargestellt, dass eine Beteiligung der Nato ausschließlich türkische Hoheitsgewässer betreffen könne, nicht griechische, betonte sie. Gemeinsame Patrouillen der griechischen und türkischen Sicherheitskräfte lehnt Athen weiter ab. Dies sei auch von Ankara nicht vorgeschlagen worden, so die Sprecherin.