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Friedrich Merz.
© Michael Kappeler/dpa

CDU hofft auf Neustart: Mit der Methode Besserwisser wird Merz nicht weit kommen

Am Samstag wird Friedrich Merz offiziell zum neuen CDU-Vorsitzenden gewählt. Davon, den Nerv der Zeit zu treffen, ist er noch weit entfernt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Wenn eine Regierung sich selbst im Weg steht, hat die Opposition leichtes Spiel. Die Ampel-Koalition hat es der Union insofern in ihrer kurzen Zeit im Amt leicht gemacht, die neue Rolle einzuüben. Schnell sind die inneren Widersprüche im Bündnis deutlich geworden, die zwischen den Parteien wie die zwischen Sprüchen und Realität.

Die Opposition braucht im Moment weiter nichts zu tun als beim Kanzler Führung zu bestellen, schon wird der Kontrast zum Wahlplakat-Olaf „Scholz packt das an“ offenkundig.

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Nur geht das natürlich nicht einfach immer so weiter. Die Deutschen sind mit ihren Regierenden geduldig, ganz besonders dann, wenn sie sie gerade erst frisch gewählt haben. Sie laufen nicht gleich wieder zur Opposition über, bloß weil ein Kanzler vorwiegend schweigt oder ein Finanzminister mit den gleichen Tricks Schulden aufnimmt, die er im Wahlkampf verdammt hat.

Auch die CDU wird bald die Erfahrung machen, dass sie selbst für berechtigte Kritik nicht belobigt wird, sondern die Gegenfrage gestellt bekommt: Ja, was würdet Ihr denn stattdessen gegen die Pandemie, den Klimawandel, marode Brücken unternehmen? Wo würdet ihr denn bitte das Geld hernehmen, das ganz offenkundig gebraucht wird?

Team hin, Team her

Ihre Antworten im Wahlkampf haben keinen überzeugt. Es braucht also andere. Liefern muss sie Friedrich Merz. Am Samstag wird ihn der CDU-Parteitag offiziell zum Vorsitzenden wählen. Ab dann steht er – Team hin, Team her – im vollen Rampenlicht. Das wird noch schärfer gebündelt, wenn er, wie allgemein erwartet, demnächst auch den Fraktionsvorsitz beansprucht.

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Innerparteilich geht Merz mit besseren Voraussetzungen an den Start als seine unglücklichen Vorgänger. Die Mitglieder haben ihn klar legitimiert. Außerdem neigt der unterlegene liberale Flügel weniger als Merz‘ alte Fans dazu, beleidigt auf seine Niederlage zu reagieren.

Diese alten Fans erwarten allerdings, dass ihr Favorit jetzt liefert. Damit fangen seine Probleme an. Denn schon immer war Merz inhaltlich viel weniger scharf konturiert, als ihn seine Anhänger wahrnehmen wollten. Sein Image beruhte vor allem auf der Art, in der er Angela Merkel jahrelang hineingrätschte. Im letzten Vorsitz-Wahlkampf fiel er durch die geradezu scholzische Neigung auf, sich in kontroversen Fragen nicht festzulegen.

Selbst wenn das Taktik war, belegt es nur, für wie wenig mehrheitsfähig sogar in der eigenen Partei der neue Chef ein stramm konservatives Profil hält. Bei Wählern gilt das erst recht, gegen eine Ampel-Regierung dreifach.

Die unterscheidet sich nämlich deutlich von der rot-grünen Koalition, die Merz nach 2002 noch selbst als Oppositionspolitiker erlebt hat. Damals wollten SPD und Grüne vor allem gesellschaftspolitisch sehr vieles anders machen. Das bot Angriffsfläche in dem noch stark von Helmut Kohl geprägten Land.

Neuer Schachzug dringend gesucht

Damals gewann Roland Koch schon ein halbes Jahr nach Kohls Wahlniederlage mit der Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft die Landtagswahl in Hessen. Das holte die CDU früh zurück ins Spiel und trug sogar über die Spendenaffäre hinaus.

Merz muss jetzt eher fürchten, dass die nächsten Landtagswahlen den Trend gegen seine Partei verstetigen. Heute herrscht obendrein über die großen Ziele Einigkeit – mit Abstrichen selbst in der Migrationspolitik. Unterschiede gibt es bei der Wahl der Mittel, also nicht in der Ideologie, sondern im Handwerk.

Darin lag bisher Merz‘ Stärke nicht. Er war jahrelang eher Besserwisser als Bessermacher. Das hat ihm damals genutzt. Für die neue Rolle reicht es nicht. Opposition, sagt man gern, ist Regierung im Wartestand. Das setzt aber voraus, dass sie zum Regieren überhaupt fähig erscheint – inhaltlich, personell, im Stil. Im Moment kann die CDU die Koalitionäre ganz gut nerven. Aber davon, den Nerv der Zeit besser zu treffen, sind die Partei und ihr künftiger Chef noch weit entfernt.

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