Politik: Mit der Macht der Gewissheit
In Potsdam erhält Rice den Warburg-Preis
Potsdam - Atemlos schaut das steinerne Antlitz auf die Festgesellschaft. Der Mund steht offen, das Erstaunen ins Gesicht geschrieben – ins Gesicht des Mannes im Medaillon an der Wand des Saals. Im Schloss „Neue Kammern“ des Parks Sanssouci sitzt die zu Ehrende, US-Außenministerin Condoleezza Rice, und nichts gibt besser wieder, wie sie zu sehen ist. Die „stählerne Magnolie“ wird sie genannt, und blühend schaut sie aus in ihrem eleganten Kostüm. Ihr Lächeln, einmal, zweimal erreicht es auch ihre Augen – als die jungen Leute, Preisträger der Musik, Prokofjew spielen und Schumann, dessen Lied vom Aufschwung eine 15-jährige Pianistin in einer Weise interpretiert, dass Rice sich erhebt von ihrem Platz, um innig zu danken.
Wie passend, was sich die ehrwürdige „Atlantik-Brücke“, die ihr den hochwohllöblichen Eric-M.-Warburg-Preis für ihre Verdienste um die deutsch-amerikanische Freundschaft zuerkennt, überlegt hat. Charmant die Anspielung: Komplex ist diese Musik, komplex ist sie, ist dazu allemal ihre Welt. Aber Condoleezza Rice war immer schon herausragend, in der Interpretation der Musik zunächst, dann in der Politik, wo sie an diesem Abend noch den Ton angeben wird.
Doch zunächst Helmut Kohl, der zum Monument geworden ist. Da weht für den Augenblick der Mantel der Geschichte, der Kohl einst streifte. Weil das seine große Zeit war, die vor 17, 18 Jahren, ist er gekommen, Rice zu loben. Kaum von seiner Knieoperation genesen, ist allein schon das ein Teil der Ehre. Aber dazu kennt er Rice. Dass Condoleezza Sanftmut bedeute, die nicht immer für sie gelten könne, sagt er sanftmütig ironisch mit leiser Stimme, die er auch nicht hebt. Dass er oft mit seinem, ihrem Freund Brent Scowcroft, dem früheren Sicherheitsberater und General, über sie gesprochen habe; dass er ihren Anteil an allem, wofür Deutschland niemals aufhöre, dankbar zu sein, sehr genau kenne; dass er sich freue, sie als zweite Frau im Außenministerium der USA zu sehen – Kohl weiß sogar, dass sie beim Vater von Madeleine Albright Studentin war.
Diplomatisch, wie er auch sein kann, im Alter sowieso, weist Kohl darauf hin, wie er die internationale Politik dieser Tage einschätzt: Man könne „durchaus über sie streiten“. Dramatisch ohnegleichen ist für ihn die Entwicklung im Irak, „erschütternd“. Und dass heute, da Deutschland und die USA auf gleicher Augenhöhe seien, unterschiedliche Auffassungen entsprechend geäußert werden müssten, aber in jedem Fall ohne „dümmlichen Antiamerikanismus“. Kohl schenkt Rice einen langen Blick, und als er geendet hat, erhebt sie sich, geht auf ihn zu, und sie küssen einander auf beide Wangen. Eine Geste der Verbundenheit, die den Raum erfüllt. Kohl war nicht immer so.
Und nun sie. In Potsdam! Sie sagt es, als Reverenz an ihren „persönlichen Helden“, an den Kanzler der Einheit, aber auch, um ihren Antworten den Rahmen zu geben. Da spricht die Macht, nicht zuletzt die der Gewissheit. Dass sich die Deutschen und die Amerikaner nach der schwierigen Zeit 2002 und 2003 von der Couch des Psychoanalytikers mit all der Selbstbespiegelung erhoben hätten; dass sie gemeinsam stark seien, stark für gegenwärtige Aufgaben und für künftige, den Iran und Afghanistan. Ja, und unterschiedliche Auffassungen, die spricht sie aus, sanft nur im Ton. Kohl ist ihr Held – der vergangenen Tage. Die Türkei soll in die EU aufgenommen werden, findet Rice, weil sie die nicht schwächen, sondern stärken werde. Und der Mittlere Osten benötigt die Perspektive vieler demokratischer und erfolgreicher Staaten, die er aus ihrer Sicht dank der USA hat. Da lässt jetzt sie den Mantel der Geschichte wehen, erinnert an 1947, 48, 49, an 1987, 88, 89, und für „Madame Secretary“ ist es keine Frage, dass die Zeit kommen wird, in der sich die Menschen fragen werden, wer an einer guten Entwicklung im Irak, in Afghanistan und in Palästina zweifeln konnte.
Die ehrwürdige Runde erhebt sich im Applaus. Sie verlässt den Saal. Zurück bleibt das erstaunte Gesicht.
Stephan-Andreas Casdorff
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