Russland und China: Mit aller Macht dagegen
Russland und China stimmen politisch oft gemeinsam – und behindern dabei wie im Fall Syrien den UN-Sicherheitsrat.
Dass sich China und Russland politisch gut verstehen, ließ sich im vergangenen Jahr beobachten, als chinesische Wissenschaftler dem damaligen russischen Premierminister Wladimir Putin ihre Version des Friedensnobelpreises für „herausragende Leistungen bei der Bewahrung des Weltfriedens“ zuerkannten. Der „Konfuzius Friedenspreis“ war in China im Herbst 2010 eilig erfunden worden als Alternative zum Friedensnobelpreis, der aus Sicht der chinesischen Regierung diskreditiert ist seit der Vergabe an den inhaftierten chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo. Doch ganz überzeugt von der neuen Auszeichnung scheint Wladimir Putin nicht gewesen zu sein: Zur Annahme des Friedenspreises schickte er „zwei russische Babes“, wie die Internetnachrichtenseite „shanghaiist.com“ beobachtete – zwei blonde Studentinnen der Pekinger Fremdsprachen-Universität.
Am Dienstag allerdings ist Wladimir Putin persönlich nach Peking gereist, diesmal geht es auch um Wichtigeres als dubiose Preisverleihungen. Bei seiner ersten längeren Auslandsreise seit seinem erneuten Amtsantritt will Russlands Präsident die strategische Partnerschaft mit China ausbauen. Die Themen Syrien und Afghanistan stehen ebenso auf der Agenda wie die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder vor allem im Energiesektor. Russland ist der weltgrößte Energieproduzent, China der weltgrößte Energieverbraucher. „Präsident Putin und ich haben vereinbart, die Entwicklung der bilateralen Beziehungen weiterhin als diplomatische Priorität zu behandeln“, sagte der chinesische Staatschef Hu Jintao nach einem ersten Treffen am Dienstag. Putin erklärte, die Partnerschaft hätte ein „noch nie da gewesenes Niveau“ erreicht.
Beide Länder unterstützen sich im UN-Sicherheitsrat gegenseitig, wie zuletzt in der Syrien-Frage zu beobachten war. Zweimal haben die beiden ständigen Mitglieder ihr Veto gegen einen Syrien-Beschluss des Sicherheitsrates eingelegt. Dabei folgt China, das keine nennenswerten Interessen in Syrien hat, dem Abstimmungsverhalten Russlands. „Beide Seiten lehnen eine Intervention von außen und einen gewaltsamen Regimewechsel in Syrien ab“, erklärte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Liu Weimin am Dienstag.
Wladimir Putin stärkt mit seinem Besuch auch die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), die sich am Mittwoch und Donnerstag in Peking zum Gipfel trifft. Die Organisation ist ein regionaler Zusammenschluss zentral- und ostasiatischer Staaten, der ein Viertel der Weltbevölkerung vertritt und zu dem gegenwärtig neben China und Russland auch Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan zählen. Als Beobachter wird der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad anreisen und mit China und Russland wahrscheinlich auch über das iranische Atomprogramm sprechen. Auch der afghanische Präsident Hamid Karsai wird als Beobachter in Peking erwartet. China und Russland dürften versuchen, nach dem Abzug der westlichen Militärallianz 2014 aus Afghanistan ihren Einfluss in dem Land wieder auszuweiten.
Wladimir Putin schreibt in einem Beitrag in der „Volkszeitung“, dem Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas: „Wir werden weiter die Aussichten auf eine Zusammenarbeit innerhalb der Schanghaier Organisation mit dem afghanischen Führer Hamid Karsai besprechen.“ Im selben Beitrag beschreibt der russische Präsident die wirtschaftlichen Fortschritte zwischen China und seinem Land. Demnach wuchs der Handel im Jahr 2011 um fast 40 Prozent auf 83 Milliarden US-Dollar. Bis 2015 soll er auf 100 Milliarden US-Dollar gestiegen sein. Der russische Präsident wird von Vertretern der Energiegiganten Gazprom, Rosneft und Transneft begleitet. Putin schreibt in seinem Beitrag, dass er hoffe, Russland werde „große Mengen“ Gas liefern. Trotzdem wird ein neuer Gasliefervertrag mit China vorerst nicht zustande kommen, wie Gazprom am Montag bekannt gab. Beide Seiten können sich noch nicht über den Preis einigen.
Es ist eben nicht alles Einigkeit zwischen den kommunistischen Rivalen des Kalten Krieges. Russland fürchtet den wachsenden Einfluss des wirtschaftlich starken China an seiner ostasiatischen Grenze. Schon jetzt siedelt es russischsprachige Menschen in die Grenzgebiete zu China um, um die dortige Abwanderung zu stoppen. Unter Wladimir Putin führt Russlands Blick nach Osten fast schon zur Genickstarre. So richtete er zuletzt ein neues Ministerium für Fernöstliche Entwicklung ein.
Eine Entwicklung, die Dimitri Trenin vom Politikinstitut Carnegie-Moskau-Zentrum gutheißt. Er glaubt, dass Peter der Große heutzutage eine neue russische Hauptstadt nicht in St. Petersburg einrichten würde, sondern in Wladiwostock. Der Nachrichtenagentur „Reuters“ sagte Trenin: „Der Pazifik ist jetzt das, was die Ostsee im 18. Jahrhundert war – hier spielt das Leben.“