EU-Spitzenposten: Mini-Gipfel spricht sich für Juncker aus
Frankreichs Staatschef François Hollande, Vizekanzler Sigmar Gabriel und Co. wollen keine Änderung des Euro-Stabilitätspakts - sondern lediglich mehr Zeit beim Defizitabbau in den Krisenstaaten. Einen Aufschub soll es aber nur geben, wenn die Krisenländer auch Reformen einleiten.
Unmittelbar nach der Europawahl hat François Hollande beim letzten EU-Gipfel in Brüssel noch seine ganze Verzweiflung über das heimische Wahlergebnis in einen dramatischen Appell hineingelegt. „Europa muss sich ändern“, hatte Frankreichs Präsident gefordert. Mehr Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und Investitionen – das sind die Punkte, die Hollande angesichts des Erdrutschsieges der rechtsextremen Front National von der EU eingefordert hatte. Inzwischen ist klar: Eine Neufassung des Euro-Stabilitätspaktes haben Hollande und seine sozialistischen Parteifreunde in Europa nicht im Blick – auch wenn Frankreich alle Mühe hat, die Defizitkriterien einzuhalten.
Dies wurde am Samstag bei einem Treffen von sozialdemokratischen und sozialistischen Staats- und Regierungschefs der EU in Paris deutlich. Hollande hatte zu der Begegnung in den Elysée-Palast eingeladen, um noch einmal die Position unter den linken Staatenlenkern vor dem entscheidenden EU-Gipfel Ende kommender Woche festzuzurren. Bei dem bevorstehenden Spitzentreffen in Ypern und Brüssel läuft alles darauf hinaus, dass sich eine klare Mehrheit der Staats- und Regierungschefs für den Luxemburger Jean-Claude Juncker als künftigen EU-Kommissionschef aussprechen dürfte. Die neun sozialdemokratischen Staats- und Regierungschefs, die am Samstag in Paris versammelt waren, sprachen Juncker schon einmal ihre Unterstützung aus. Damit kann Luxemburgs Ex-Premier beim bevorstehenden Gipfel bereits auf die Ja-Stimmen aus Frankreich, Italien, Dänemark, Rumänien, Tschechien, Österreich, Belgien, Malta und der Slowakei zählen.
Cameron ist isoliert
Nicht sehr viel anders sieht es im von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) angeführten konservativen Lager aus, das Juncker ebenfalls mehrheitlich die Unterstützung zugesichert hat. Der britische Regierungschef David Cameron, der den Luxemburger auf dem Posten des Kommissionschefs vehement ablehnt, ist mehr oder weniger isoliert.
Weil die Personalie Juncker zumindest im Lager der Sozialdemokraten keine großen Diskussion mehr auslöst, konnte sich der von Hollande einberufene Mini-Gipfel dafür umso ausführlicher der Ausrichtung der künftigen EU-Defizitpolitik widmen. An dem Treffen in Paris nahmen auch Vizekanzler Sigmar Gabriel und der Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Martin Schulz (beide SPD) teil. Beide hatten sich dafür eingesetzt, die Euro-Krisenländer beim Defizitabbau nicht zu überfordern und den betroffenen Staaten mehr Zeit für Reformen zu geben. Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte eine Lockerung des Sparkurses in Europa. Der „Welt am Sonntag“ sagte er, es gehe nicht um eine Änderung des Stabilitätspaktes, aber „die Möglichkeiten des Stabilitätspakts müssen besser ausgeschöpft werden“.
Gabriels Diskussionsbeitrag zur Auslegung der Defizitkriterien hatte in der zurückliegenden Woche innerhalb der Bundesregierung einige Debatten über den Stabilitätspakt ausgelöst. Doch inzwischen ist klar, dass es auch den Sozialdemokraten lediglich darum geht, den bestehenden Spielraum innerhalb des europäischen Regelwerks zugunsten stärkerer Wachstumsimpulse zu nutzen. Es solle keine Änderungen am Stabilitätspakt geben, sagte Gabriel in Paris. Die „Formel Reformen gegen Zeit beim Defizitabbau“ sei allerdings „von allen mitgetragen worden“, erklärte der Bundeswirtschaftsminister. (mit AFP)