Terror in London: Mindestens sechs Tote durch Anschlag an der Themse
Großalarm in der britischen Hauptstadt: Ein Lieferwagen fährt in Fußgänger auf der London Bridge, mehrere Täter steigen aus und stechen mit Messern auf Passanten ein. Die Polizei erschießt drei Verdächtige.
- Ingo Salmen
- Jiri Schroeder
Erneut sucht der Terror die britische Hauptstadt heim. Ein weißer Lieferwagen rast am späten Samstagabend auf der London Bridge auf den Gehweg und fährt in Fußgänger hinein, die dort unterwegs sind. Kurz darauf gibt es Berichte von Messerstechereien am nahegelegenen Borough Market. Mindestens sechs Menschen sterben, der Rettungsdienst liefert mehr als 30 Verletzte in Krankenhäuser ein, weitere werden vor Ort ambulant behandelt. Die Attacken werden von denselben Tätern ausgeführt. Die Polizei stoppt den Terror, indem sie die Männer erschießt.
Der Anschlag beginnt um kurz nach 22 Uhr Ortszeit (23 Uhr MESZ) auf der London Bridge. Wie Zeugen im Sender BBC berichten, sollen die Angreifer am südlichem Ende der berühmten Brücke mit hoher Geschwindigkeit auf den Bürgersteig gefahren und dort gezielt Passanten angesteuert haben. Anschließend seien drei Männer ausgestiegen, hätten Verletzte geschlagen und teils mehrfach mit Messern auf sie eingestochen.
Südlich der London Bridge, hinter der Southwark Cathedral, liegt der Borough Market. Das Viertel um die historische Markthalle ist bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebt. Die Polizei erfährt auch dort von Messerstechereien, ihren Angaben zufolge kommt der Lieferwagen erst dort zum Stehen. Im Fernsehen berichtet ein Zeuge davon, wie die Täter daraufhin zu Bars und Restaurants in der Umgebung laufen. "Dies ist für Allah", hört er sie rufen.
Bewaffnete Einsatzkräfte rücken aus, schießen auf die Verdächtigen. Die BBC zeigt später ein Foto, das vor dem Wheatsheaf Pub entstanden ist. Auf dem Boden liegt einer der mutmaßlichen Täter, rund um den Bauch trägt er etwas, das Zeugen als Kanister bezeichnen. Auch der Fotograf Gabriele Sciotto bestätigt dem Sender diesen Eindruck. Im Hintergrund liegt eine weitere Person am Boden, über beide beugen sich Polizisten.
Kurz vor vier Uhr Ortszeit bestätigt die Polizei, dass sie drei Verdächtige erschossen habe. Acht Minuten nach dem ersten Alarm seien die Täter am Borough Market von bewaffneten Kräften gestellt worden. Was zunächst nach Sprengstoffwesten aussah, habe sich als Attrappen herausgestellt. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen gehe man davon aus, dass damit alle Täter tot seien.
Die Attacken lösen einen Großeinsatz bei Sicherheits- und Rettungskräften aus. Die Polizei riegelt weite Teile der Innenstadt ab, mehrere U-Bahn-Stationen sind zwischenzeitlich geschlossen. Zwei Polizeiboote suchen nach einem Bericht des Nachrichtensenders Sky News auf der Themse nach möglichen weiteren Opfern. Außerdem helfen Polizisten per Boot, Menschen in dem Areal rund um die London Bridge in Sicherheit zu bringen. Drei Krankenhäuser werden vorsichtshalber geschlossen, auch ein Hotel in der Nähe der London Bridge steht nach Angaben der BBC unter Polizeischutz. Dort seien Verletzte untergebracht, die noch selbst laufen können.
Die Polizei stuft das Geschehen noch in der Nacht als Terroranschlag ein. Ähnlich äußert sich zuvor auch Premierministerin Theresa May. Für Sonntagmorgen beruft sie Medienberichten zufolge eine Sondersitzung des Cobra-Komitees, des höchsten britischen Sicherheitsgremiums, ein. Londons Bürgermeister Sadiq Khan spricht von einer "gezielten und feigen Attacke" auf unschuldige Londoner und Besucher.
Dritter Vorfall in Vauxhall ohne terroristischen Hintergrund
Im Stadtteil Vauxhall beschäftigt die Polizei am Samstagabend ein dritter Vorfall. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Messerattacke. Diese habe jeden keinen terroristischen Hintergrund und nichts mit dem Anschlag an den anderen Orten zu tun, teilt die Polizei eine halbe Stunde nach Mitternacht Londoner Zeit mit. Lange gibt es zu diesem Vorfall keine Einzelheiten. Allerdings deutet sich dort eine erste Entspannung an, als die Verkehrsbehörde gegen Mitternacht Ortszeit bekanntgibt, dass der gleichnamige U-Bahnhof wieder geöffnet sei. Er ist gut drei Kilometer von der London Bridge entfernt.
Am Bahnhof ist wenig später kaum etwas von den Vorfällen zu spüren, wie Tagesspiegel-Mitarbeiter Jiri Schroeder berichtet. Zwar fahren immer wieder Polizeiwagen Richtung Innenstadt. Im unmittelbaren Umfeld beobachtet er jedoch regen Auto- und Busverkehr wie an normalen Wochenenden. Auch Restaurants und Pubs findet er belebt wie immer vor.
Die Terrorattacke auf der London Bridge erinnert sehr an einen Angriff im Frühjahr: Am 22. März war ein 52-jähriger Mann auf der Westminster-Brücke in London mit hohem Tempo in Fußgänger gefahren. Anschließend tötete er mit einem Messer einen unbewaffneten Polizisten. Bei dem Terrorangriff waren sechs Menschen ums Leben gekommen und Dutzende Menschen verletzt worden. Der Attentäter wurde erschossen. Erst vor wenigen Tagen hatte ein Selbstmordattentäter nach einem Konzert des Teenie-Stars Ariana Grande in Manchester 22 Menschen mit in den Tod gerissen. Bei dem Terroranschlag waren mehr als 100 Personen verletzt worden.
US-Präsident Donald Trump sagt Großbritannien in der Nacht zu Sonntag umgehend die Unterstützung seines Landes zu. "Was auch immer die Vereinigten Staaten tun können, um in London und im Vereinigten Königreich zu helfen, wir werden da sein", twittert er. Der französische Staatspräsidenten Emmanuel Macron schreibt auf Twitter, Frankreich stehe nach der "neuen Tragödie" an der Seite Großbritanniens. "Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien." (mit dpa, AFP, Reuters)