Politik: Millionen für Fukushima
Um der desolaten Lage im Atomkraftwerk Herr zu werden, stellt Japans Regierung viel Geld bereit – hält aber an der Kernenergie fest.
Ab sofort kämpft die Regierung auch faktisch gegen den Schlamassel an. Anfang August hatte Japans Premierminister Shinzo Abe in einer eiligen Pressekonferenz angekündigt, der öffentliche Sektor werde ins Krisenmanagement um die seit März 2011 havarierten Atomreaktoren in Fukushima einsteigen. Erst als öffentlich geworden war, dass täglich rund 300 Tonnen radioaktives Wasser in den Ozean gelangen, hatte Abe die Lage als „dringendes Thema“ bezeichnet. Gleichzeitig kündigte er an, sein Kabinett werde schnellstmöglich ein Budget und einen Handlungsplan aufstellen. Am Dienstag wurden Details offenbar: 47 Milliarden Yen (rund 360 Millionen Euro) stellt die Regierung bereit, weitere drei Milliarden Yen steuert die Betreiberfirma Tepco bei.
Mit diesem Budget soll insbesondere der Boden um die Reaktoren eingefroren werden, damit nicht noch mehr radioaktives Wasser in die Erde und den Ozean fließt. Durch Rohre soll ein spezielles Kältemittel in die Erde geleitet werden, um eine Art Wand aus Eis zu schaffen, durch die fortan kein Wasserfluss zwischen dem natürlichen Untergrund und den Kellern der Reaktoren möglich wäre. Die Methode ist in dieser Größenordnung kaum erprobt, macht in Japan aber Hoffnung, die Katastrophe bald eindämmen zu können. Außerdem sollen die Dekontaminierungsarbeiten intensiviert werden, die bisher weit hinter den anfangs gesetzten Zielen zurückbleiben.
Japans Regierung, die sich lange aus dem Desaster rund 200 Kilometer nördlich von Tokio herausgehalten hat, betont seit rund einem Monat ihren Willen, Verantwortung zu übernehmen. Tepco muss unterdessen eine Ohrfeige nach der anderen einstecken. Vom Chef der Atomregulierungsbehörde war zu vernehmen, dass beim Betreiber wenig Bewusstsein für das Ausmaß der Katastrophe bestehe. Vergangene Woche sagte Wirtschaftsminister Toshimitsu Motegi: „Das Problem mit dem Wasser wird sich nicht lösen, wenn wir es Tepco überlassen.“ Das jüngste Leck, durch das aus Auffangtanks rund 300 Tonnen radioaktives Wasser gelangt waren, hätte nach Motegis Einschätzung vermieden werden können, wäre Tepco vorsichtiger gewesen. Die Botschaft: Ohne die Hilfe der Regierung läuft nichts.
Dies ist wohl der einzige Weg, mit dem Shinzo Abes rechtskonservative Liberaldemokratische Partei (LDP) ihr umstrittenes Festhalten an der Atomkraft rechtfertigen kann. Noch immer ist die Mehrheit der Japaner gegen die Nutzung dieser Energiequelle. Bei der Oberhauswahl Ende Juli war die LDP die einzige Partei, die auch langfristig nicht von der Atomkraft abweichen will. So übt sich die Regierung darin, die allgemeine Anti-Atom- Stimmung in eine Anti-Tepco-Stimmung umzulenken. Teil dieser Strategie scheint sowohl die harsche Kritik an der Betreiberfirma zu sein als auch das Timing, in dem Informationen zuletzt öffentlich wurden. So war im Hause Tepco etwa schon einige Tage vor der Oberhauswahl am 21. Juli bekannt, dass unterhalb der havarierten Reaktoren verseuchtes Wasser in den Ozean fließt. Ehe man aber die Öffentlichkeit über diese Gefahren in Kenntnis setzte, wurde noch ein paar Tage abgewartet. Kurz nach dem 21. Juli meldete Tepco schließlich das Problem.
„Dass all diese Informationen erst so spät rauskommen, ist kein Zufall“, sagt dazu die Kommunikationswissenschaftlerin Majia Nadesan. Sie ist Professorin an der Arizona State University und veröffentlichte vor kurzem ein Buch über Fukushima, das auch die Krisenkommunikation zum Thema hat. „In jedem Textbuch zum Krisenmanagement heißt es, man soll die Risiken immer als genauso schlimm kommunizieren, wie man sie auch selbst ehrlich einschätzt.“ Nur so könne man sich des Vertrauens der Bevölkerung sicher sein. Tepco macht das Gegenteil. Und die Regierung rückt sich nun als Retterin in der Not in ein gutes Licht, beobachtet auch Nadesan. Zuletzt unternahm Wirtschaftsminister Motegi etwa medienwirksam eine Reise nach Tschernobyl, wo es 1986 zu einem verheerenden Atomunfall gekommen war.
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