Prozess in der Türkei: Mesale Tolu holt ihren Mann raus
Die deutsche Journalistin ist zur Fortsetzung ihres Prozesses in die Türkei gereist. Es war ein Risiko, das sich gelohnt hat.
Im Justizpalast von Istanbul gehen täglich 50.000 Menschen ein und aus – so viel wie die gesamte Bevölkerung von Neu-Ulm, wo Mesale Tolu zu Hause ist. Tausende Schicksale entscheiden sich hier täglich, doch den Fall Mesale Tolu kennt hier fast jeder. „Die deutsche Journalistin? Das ist im Block C“, wissen die Sicherheitsbeamten auswendig: „Zu Mesale wollen Sie? Im fünften Stock!“
Die Anklage wirft Tolu die Unterstützung für linksextreme Gruppen vor. Von April bis Dezember vergangenen Jahres saß sie in Untersuchungshaft und durfte erst nach mehr als acht weiteren Monaten im August zusammen mit ihrem Sohn Serkan die Türkei verlassen. Jetzt ist sie wieder da.
Damit ist Tolu ein Risiko eingegangen – das Gericht könnte die aufgehobene Ausreisesperre neu verhängen. Serkan ist deshalb in Deutschland geblieben. Tolu will beweisen, dass sie auch ohne Ausreiseverbot der türkischen Justiz zur Verfügung steht. So will sie die Chancen für ihren Mann Suat Corlu erhöhen, ebenfalls freizukommen.
Unerwartete Entscheidung
Zweieinhalb Monate haben sich Tolu und Corlu nicht gesehen – seit Tolu mit Serkan ausreisen durfte und Corlu wegen weiter bestehender Reisesperre zurückbleiben musste. „Unsere Familie leidet darunter“, sagt Tolu. An der Anwesenheit seiner Frau bei dem Gerichtstermin sei ja zu erkennen, dass sich keiner in der Familie der türkischen Justiz entziehen wolle, sagt Corlu. Er beantragt Reisefreiheit – und hat Erfolg: Das Gericht hebt die Ausreisesperre gegen ihn auf. Dennoch kann er nicht sofort mit seiner Frau die Türkei verlassen. Corlus französische Aufenthaltsgenehmigung ist abgelaufen, während er in der Türkei in Haft saß, erklärt Tolu. Jetzt muss er erst einmal ein deutsches Visum beantragen.
Wird ihr Mann dann nach Deutschland ziehen, wird die Familie in Ulm zusammenleben? „Das weiß ich gar nicht, das muss ich noch mit meinem Mann besprechen“, sagt Tolu. Sie hätten sich noch gar keine Gedanken gemacht, was geschehen werde, wenn die Ausreisesperre aufgehoben würde. „Denn wir hatten eigentlich nicht damit gerechnet.“