zum Hauptinhalt
Friedrich Merz verlässt eine Pressekonferenz in der Bundespressekonferenz zu einer möglichen Kandidatur für den CDU-Vorsitz.
© Michael Kappeler/dpa

Rassismus in der Gesellschaft: Merz adelt die Motive der Rechtsradikalen

In einer Pressekonferenz suggeriert Merz, Clankriminalität und Migration seien Ursachen für Rechtsradikalismus. Damit schürt er Ressentiments. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Thewalt

Viele Worte brauchte Friedrich Merz nicht, um in der Bundespressekonferenz zwei Themen unheilvoll miteinander zu verbinden. Er sagte erst: „Wir haben in unserem Land über Jahre das Problem des Rechtsradikalismus massiv unterschätzt“ und sprach dann nahezu übergangslos über „rechtsfreie Räume“, „illegale Einwanderung“ und den Schutz der Grenzen.

Auf die Nachfrage eines Journalisten, ob für ihn also die Antwort auf das Problem des Rechtsradikalismus die stärkere Thematisierung von Grenzkontrollen und Clankriminalität sei, antwortete Merz mit: „Die Antwort ist: ja.“ Der Mann, der mit starken Worten den CDU-Vorsitz und die Kanzlerschaft anstrebt, schließt sich damit auch einer Denkart an, die für rechtsradikale und rassistische Taten eine einfache Ursache benennt: die sogenannte Clankriminalität, Migration und die fehlende staatliche Antwort darauf.

Gesellschaftliches Problem nicht benannt

In letzter Konsequenz adelt Merz also die Motive der Rechtsradikalen – wenn auch nicht ihre Taten – und die Erzählung, der zufolge Rassismus erst 2015 mit der Entscheidung, die Grenzen offen zu lassen, aufgeflammt sei. Das verkennt auf himmelschreiende Weise die Realität. Rassismus ist ein tiefgreifendes gesellschaftliches Problem, und das seit Jahrzehnten.

Seit 1990 hat es nach Angaben der Amadeu Antonio Stiftung mindestens 208 Todesopfer durch rechts motivierte Gewalt in Deutschland gegeben. Menschen, die Rassismus erleben, äußern zunehmend Angst. Und nicht nur sie sehen in der Häufung der rechts motivierten Gewalttaten in den vergangenen Monaten ein Zeichen dafür, dass ein gesellschaftliches Klima herrscht, in dem menschenfeindliche Ideologen noch stärker als früher die Grundbedingungen gegeben sehen, unter denen sie gewalttätig werden können.

Anderes wäre eher der Erwähnung wert gewesen

Die Menschenfeinde und der gesellschaftlich weitverbreitete Rassismus sind der Kern des Problems. Doch Merz, der sich später über unzulässige Verkürzung beklagte, erfasst das nicht. Nicht mal eine Woche nach dem Anschlag in Hanau, bei dem ein Rassist zehn Menschen ermordet hat, schürt er Ressentiments.

Es hätte anderes gegeben, das stattdessen der Erläuterung wert gewesen wäre: Bundesweit sind etwa 482 Neonazis und andere Rechte untergetaucht, 624 Haftbefehle offen. Merz hätte über eine Strategie sprechen können, wie man diese Haftbefehle schneller vollstrecken und den schon bekannten und straffällig gewordenen Rechtsextremen wirksam mit rechtsstaatlichen Mitteln begegnet.

Dass Rechtsradikalismus unterschätzt werde, ändere sich gerade, hatte Merz zu Beginn der Pressekonferenz noch gesagt. Mit seinen folgenden Aussagen hat er selbst aber nicht dazu beigetragen.

Zur Startseite