„Landwirte sind wichtiger Teil der Gesellschaft“: Merkel zollt Bauern Respekt – Versprechen gibt es keine
Die Landwirte protestieren gegen die Agrarpolitik, die Bundeskanzlerin lädt zum Dialog. Beim „Agrargipfel“ gab es Anerkennung und Zuspruch für Veränderungen.
Angesichts anhaltender Proteste hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den deutschen Bauern zugesichert, sie bei weiteren Natur- und Klimaschutzvorgaben einzubeziehen. Es müssten in vielen Bereichen neue Antworten gefunden werden, sagte sie bei einem „Agrargipfel“ mit Landwirtschaftsverbänden am Montag in Berlin. „Aber das wollen wir mit Ihnen machen, und das wollen wir nicht gegen Sie machen.“ Landwirte seien „ein ganz wichtiger Teil der Gesellschaft“, sagte Merkel: „Großer Respekt für ihre Arbeit, die schwierig ist.“ Sie bekräftigte zugleich Handlungsbedarf beim Umweltschutz.
Landwirte brauchen Zukunftsperspektiven
Es gebe „ein dramatisches Problem bei der Artenvielfalt“, sagte die Kanzlerin. Dabei seien Landwirte „nicht die einzigen Verursacher“, aber Teil des Gesamtsystems. Ein gemeinsames Anliegen sei außerdem, sich dem Klimawandel zu stellen. Die Bauern seien aber auch ein Wirtschaftszweig, der rentabel wirtschaften müsse. Es gelte daher, verschiedene Bereiche zusammenzubringen und Wege zu finden, die der Branche auch Berechenbarkeit gäben. Dies solle „partnerschaftlich“ geschehen. „Wir wollen regionale Produkte und zu Hause Landwirtschaft haben. Das bedeutet, dass Sie eine Zukunft haben müssen.“
Klöckner: Landwirtschaft gehört in die Mitte der Gesellschaft
In der vergangenen Woche hatten in Berlin Tausende Bauern mit Traktoren gegen die Agrarpolitik der Regierung demonstriert und auch mehr gesellschaftliche Wertschätzung eingefordert. Schon zuvor gab es Proteste in mehreren anderen Städten. Ärger ausgelöst hat vor allem ein „Agrarpaket“, das das Kabinett im September auf den Weg gebracht hatte. Unter anderem zum Insektenschutz soll der Einsatz von Unkraut- und Schädlingsgiften stark eingeschränkt werden. Für einen besseren Grundwasserschutz müssen auf Druck der EU auch Düngeregeln erneut verschärft werden. Aus den wichtigen EU-Agrarzahlungen an die Höfe wird im neuen Jahr mehr Geld für Umweltmaßnahmen reserviert.
Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) sagte, es gelte, das Thema Landwirtschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Dabei müsse deutlich gemacht werden, dass Wünsche der Verbraucher nach mehr Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz Geld kosteten. Zugleich gebe es ein berechtigtes Ansinnen der Bevölkerung, dass das Grundwasser nicht mit überhöhten Nitratwerten verunreinigt sei. Ziele müssten praxisgerecht erreicht werden. Zudem sei wichtig, dass sich Investitionen rechnen und langfristig planbar seien. „Ich kenne keinen Landwirt, der gegen Insektenschutz ist“, sagte Klöckner.
Opposition kritisiert Agrarpolitik
Sie kündigte für das neue Jahr eine „Wertschätzungskampagne“ und Dialog-Veranstaltungen in Deutschland an. Merkel stellte ein erneutes Treffen in der Runde des „Agrargipfels“ im Herbst nächsten Jahres in Aussicht. Dann solle man sehen, wo man stehe. Sie machte deutlich, dass es sich um den Auftakt eines gemeinsamen Dialoges handele.
Von der Opposition kam Kritik. „Wir benötigen dringend eine Kurskorrektur“, sagte der FDP-Agrarexperte Gero Hocker. Maßnahmen müssten strikt wissenschaftlich belegt und mit wirtschaftlichen Folgenabschätzungen versehen sein. „Alles andere ist politischer Blindflug.“ Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte, die Subventionen anders zu verteilen und an gesellschaftliche Leistungen zu binden. „Statt industrieller Großbetriebe sollten Bäuerinnen und Bauern gefördert werden, die sich für Natur-, Umwelt-, Klima- und Tierschutz einsetzen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Auch sein Parteikollege und Grünen-Chef Robert Habeck hatte vor dem Agrargipfel gefordert, die Landwirte für ihre Erzeugnisse besser zu bezahlen. „Wir müssen eigentlich dem Wert der Lebensmittel wieder mehr Geltung verschaffen. Wir haben faktisch eine totale Entwertung von Lebensmitteln“, sagte Habeck am Montag im Deutschlandfunk. „Wir sehen es an der Ladentheke, wir sehen es bei den Bauern, die häufig im Minus arbeiten, und wir sehen es in einer gewissen Wegwerf-Mentalität, die hochwertig produzierte Lebensmittel einfach dann wieder in den Müll schmeißt.“
Es gebe verschiedene Schrauben, den Lebensmitteln mehr Wert zukommen zu lassen, sagte Habeck weiter. „Aber es heißt letztlich, die Bauern müssen höher vergütet werden.“ Die Verbraucher müssten dazu auch ihre Konsumgewohnheiten „ein bisschen umstellen“.
Billige Lebensmittel im Blick
In der Debatte um die Zukunft der Landwirtschaft will die Bundesregierung auch umstrittene Billigangebote für Lebensmittel stärker in den Blick nehmen. Dazu solle es eine Gesprächsrunde bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Handelsunternehmen geben, teilte Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) nach einem „Agrargipfel“ mit.
Im neuen Jahr seien zudem „Dialogforen“ des Agrarministeriums in mehreren deutschen Städten vorgesehen, an denen auch Umwelt- und Verbraucherverbände beteiligt werden sollen. Start soll am 21. Januar bei der Agrar- und Ernährungsmesse Grüne Woche in Berlin sein.
Merkel hatte vor dem Gespräch deutlich gemacht, es gehe um eine starke Landwirtschaft. Die Bauern müssten aber auch auf neue Zeiten Antworten finden. „Und wenn wir über Jahre die Düngeverordnung nicht einhalten, dann kann ich jetzt auch nicht sagen: Ach Leute, jetzt gibt es noch drei Jahre dazu, das wird nicht klappen“, sagte sie kürzlich im Bundestag. Klöckner sagte dpa vor dem „Agrargipfel“: „Wir wollen die Branche einbinden und gemeinsam Lösungen entwickeln, damit die Landwirtschaft in Deutschland eine Zukunft hat.“
Bauernpräsident Joachim Rukwied begrüßte, dass die Kanzlerin zum runden Tisch einlädt. „Das kann aber nur ein Auftakt sein.“ Konkret gehe es auch darum, den „Aktionsplan Insektenschutz“ neu aufzusetzen. „Es wäre gut, wenn die Kanzlerin das Thema zur Chefsache macht.“ Rukwied betonte, die Bauern seien offen für neue Umweltmaßnahmen. Es gehe nicht um das Ob, sondern nur um das Wie. „Wir wollen Naturschutz gemeinsam nach vorne bringen, nicht einfach Verbote als Basis.“ (dpa/ AFP)