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Vor dem G-20-Gipfel: Merkel widerspricht Obama

Unmittelbar vor dem Gipfeltreffen der führenden Industrie- und Schwellenländer in Kanada wehrt sich die Bundesregierung gegen den Vorwurf, mit ihrem Sparkurs die Weltkonjunktur zu gefährden.

Berlin - Unmittelbar vor dem Gipfeltreffen der führenden Industrie- und Schwellenländer in Kanada wehrt sich die Bundesregierung gegen den Vorwurf, mit ihrem Sparkurs die Weltkonjunktur zu gefährden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, sie halte am Sparpaket von 80 Milliarden Euro fest und lehne Steuersenkungen trotz der besseren Haushaltslage weiter ab. „Wir werden die Anstrengungen, die wir jetzt verabredet haben, umsetzen.“ Das bedeute weniger Zinszahlungen „für unsere Kinder und Enkel“.

Merkel wies den Ansatz von US-Präsident Barack Obama zurück, der mehr Staatsausgaben zur Belebung der Weltwirtschaft fordert. In einem Telefonat mit Obama habe sie deutlich gemacht, „dass Deutschland im Jahre 2010 für die Belebung der Weltkonjunktur sehr viel mehr tut als das im Durchschnitt der Fall ist“, sagte Merkel in der ARD. So gebe Deutschland im laufenden Jahr 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Konjunkturmaßnahmen aus. Der Wert liegt leicht über dem Durchschnitt der G-20- Staaten, deren Staats- und Regierungschefs am Wochenende tagen. Bereits am heutigen Freitag treffen sich die Spitzenvertreter der sieben wichtigsten Industrienationen und Russland (G 8). Merkel und ihre Delegation reisten am Donnerstag nach Kanada ab.

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies den Vorwurf zurück, Deutschland agiere vorschnell und bremse die anziehende Konjunktur durch das Sparprogramm. „Diese Argumentation kann ich nicht nachvollziehen, schon deshalb nicht, weil Deutschland seit Ende 2008 umfangreiche Maßnahmen ergriffen hat, um die Konjunktur zu stabilisieren“, schrieb Schäuble in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“. Deutschland nehme seine Verantwortung für das weltweite Wachstum wahr, „aber nicht durch das Auftürmen weiterer öffentlicher Schulden, sondern indem wir unserer Rolle als Stabilitätsanker gerecht werden“.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, stützt die Argumentation der Bundesregierung. Der italienischen Zeitung „La Repubblica“ sagte er, mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung sei die Vorstellung falsch, Sparmaßnahmen könnten eine Stagnation in der Euro-Zone auslösen.

Merkel sieht unterdessen keine Chancen dafür, dass es beim G-20-Gipfel in Toronto zu einer Einigung auf eine Finanztransaktionssteuer kommt. Die Kanzlerin und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy hatten vor dem Treffen für eine solche internationale Steuer auf alle Finanzgeschäfte geworben. Vor ihrem Abflug nach Kanada forderte Merkel eine eindeutige Haltung der Gipfelteilnehmer zu der umstrittenen Steuer: „Eine klare Antwort wäre mir lieber als keine Antwort, weil wir dann auf europäischer Ebene versuchen können, einen eigenen Weg zu gehen.“

Umstritten ist auch eine Bankenabgabe, für die sich die EU ebenfalls beim G-20-Treffen stark machen will. Vor dem Gipfel hatten die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens die internationale Einführung einer Bankenabgabe vorgeschlagen, mit der die Finanzwirtschaft an den Milliardenkosten der Wirtschaftskrise beteiligt werden soll. Kanadas Chefunterhändler Len Edwards sagte allerdings, dass sein Land eine Bankenabgabe nicht unterstütze. „Am Tisch der G 20 sind die Befürworter sicherlich in der Minderheit“, sagte Edwards. Merkel hatte bereits angekündigt, im Falle einer Ablehnung für einen europäischen Alleingang einzutreten.

Moritz Döbler, Albrecht Meier

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