Ukraine: Merkel widerspricht Lindner bei Hinnahme der Krim-Annexion
Auch mit Verweis auf den Umgang mit der DDR hält Angela Merkel nicht so viel von den Überlegungen des FDP-Chefs.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Überlegungen des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner zum Umgang mit Russland widersprochen, auch aus historischer Sicht. „Wenn ich jetzt zum Beispiel so höre, die russische Annexion der Krim müsse man einfach akzeptieren, dann überlege ich: Was wäre denn passiert, wenn man damals so mit uns in der DDR umgegangen wäre, nach dem Motto, ist ja klar, dass Deutschland geteilt bleibt, daran wird sich nichts mehr ändern?“, fragte sie in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Ich finde es mutig, dass es damals Menschen gab, die bereit waren, ein ganzes Leben an etwas festzuhalten.“ Solcher Mut sei eine große Tugend.
Lindner hatte Anfang August geäußert, man müsse die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland als „dauerhaftes Provisorium“ akzeptieren, um mit Moskau Lösungen auf anderen Gebieten finden zu können.
In dem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinem Sonntagszeitung" geht Merkel auf mehrere außenpolitische Themen ein, so auch auf Nordkorea und Libyen. Im Blick auf eine Lösung im Konflikt um die nordkoreanischen Atomwaffen sagte sie: "Wenn unsere Beteiligung an Gesprächen gewünscht wird, werde ich sofort ja sagen". Zur Begründung verwies sie auf die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm, an denen Deutschland neben den fünf Vetomächten im UN-Sicherheitsrat teilgenommen hatte. Es habe sich um "eine lange, aber wichtige Zeit der Diplomatie" gehandelt, die im vergangenen Jahr zu einem "guten Ende" gekommen sei. "Ein solches Format könnte ich mir auch für die Beilegung des Nordkorea-Konflikts vorstellen", sagte Merkel. "Europa und speziell Deutschland sollten bereit sein, dazu einen sehr aktiven Teil beizutragen."
Der Umgang mit dem völkerrechtswidrigen Atomprogramm Nordkoreas sei für Europa eine bedeutende Frage, auch wenn das Land geografisch weit entfernt liege. "Ich sehe nur die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung", sagte Merkel. "Niemand kann wollen, dass in der ganzen Region eine neue Rüstungsspirale in Gang kommt."
Die Kanzlerin will der Zeitung zufolge am Montag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefonieren, der sich - anders als China – gegen weiteren Druck auf Nordkorea ausgesprochen hatte. Die USA haben für Montag eine Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über neue Sanktionen gegen Nordkorea beantragt. Sie wollen ein Ölembargo durchsetzen und dessen Textilexporte unterbinden. Außerdem sollen nordkoreanische Arbeiter nicht mehr im Ausland angeheuert werden dürfen. Staatschef Kim Jong Un soll zudem mit einem Reiseverbot belegt werden. Das weitgehend isolierte Land hatte vergangenen Sonntag seinen bislang stärksten Atomtest vorgenommen und dabei nach eigenen Angaben eine Wasserstoffbombe gezündet, die als Sprengkopf für seine Interkontinentalraketen dienen soll.
Merkel verteidigt Zusammenarbeit mit Milizen in Libyen
Im Blick auf die Umverteilung von Flüchtlingen in der EU gab sich Merkel optimistisch, eine Lösung erreichen zu können. Die große Mehrzahl der EU-Staaten stehe nicht auf dem Standpunkt, niemals einen Flüchtling aufnehmen zu wollen, sagte sie. „Ich sehe deshalb die Chance, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft zu einer solidarischen Verteilung von Flüchtlingen kommen.“ Voraussetzung sei, dass die individuellen Gegebenheiten jedes Mitgliedstaates sowie ihre unterschiedliche Wirtschaftskraft einbezogen werde.
Merkel verteidigte zugleich die Zusammenarbeit mit Milizen in Libyen. „Wir können nicht einerseits beklagen, wie schlecht es den Flüchtlingen und Migranten in Libyen geht, uns andererseits aber nicht um sie kümmern, weil uns die Strukturen im Land nicht gefallen.“ In dem Land versuchten viele mangels anderer Perspektiven, an den Flüchtlingen zu verdienen. „Es ist deshalb richtig, diese ökonomischen Strukturen zu zerschlagen und Menschen nicht zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken zu lassen“, sagte Merkel. „Aber ich hielte es für falsch, dauerhaft mit einer Miliz zusammenzuarbeiten, die die Einheitsregierung nicht unterstützt.“
In den vergangenen Wochen haben libysche Milizen Schlepper daran gehindert, mit Flüchtlingsbooten abzulegen. Zugleich beklagen private Seenotretter schon länger das brutale Vorgehen der libyschen Bewaffneten am Mittelmeer. In dem Land kämpfen mehrere Gruppen um die Macht. Die EU kooperiert mit der sogenannten Einheitsregierung, die jedoch nur einen geringen Teil des Lande kontrolliert. (dpa/rtr/epd)