China-Reise: Merkel und Wen betonen Gemeinsamkeiten und halten doch Abstand
Bei Angela Merkels Reise durch China geht es um die Euro-Rettung, wirtschaftliche Zusammenarbeit und ein klein wenig auch um die Menschenrechte.
Es war kurz nach 14 Uhr, als zahlreiche Reinigungskräfte in die Pekinger Altstadtgasse Nanluguoxiang einfielen und ein ungewöhnlich großes Interesse für weggeworfene Taschentücher und Plastikbecher entwickelten. Selbst blanke Stellen mussten noch einmal gewienert werden, denn kurze Zeit später schritt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel durch die schmucke Vorzeigegasse. Ähnlich bemüht sind auch die Gespräche der Bundeskanzlerin am ersten Tag ihrer Chinareise verlaufen. Beide Seiten betonten das enge Verhältnis der Nationen – doch nur in der Frage der chinesischen Beteiligung an den Maßnahmen zur Bewältigung der europäischen Schuldenkrise ist etwas Bewegung in die Beziehung gekommen. Wen Jiabao kündigte an, über eine Beteiligung „nachzudenken“.
Zunächst musste Angela Merkel womöglich sogar einen Affront verkraften. Ein angefragter Termin in Guangzhou bei der südchinesischen Verlagsgruppe Southern Weekly, der regierungskritischsten und mutigsten chinesischen Zeitungsgruppe, musste abgesagt werden. Während die Zeitung noch am Donnerstag davon ausging, dass die Bundeskanzlerin kommen werde, stellt die deutsche Seite den Terminplan inzwischen so dar, als hätte Kanzlerin Merkel immer nur einen zusätzlichen Termin mit der Zivilgesellschaft eingeplant.
Dieser wird nun das Zusammentreffen mit dem Erzbischof Joseph Gan Junqiu sein. Vielleicht auch deshalb betonte Angela Merkel gegenüber Jiabao die Bedeutung der Meinungsfreiheit. „Ich werde immer wieder deutlich machen, dass die Pluralität von Meinungen sehr zielführend oder auch hilfreich für die Entwicklung eines Landes sein kann“, sagte die Kanzlerin.
Immerhin stellte Ministerpräsident Jiabao vorsichtig chinesische Finanzhilfen zur Bewältigung der EU-Schuldenkriese in Aussicht. Die chinesische Regierung zu Hilfsmaßnahmen zu bewegen, ist eines der Hauptanliegen der Reise Merkels. China besitzt Währungsreserven im Wert von 3,2 Billionen Dollar. „Wir sind gerne bereit, uns stärker mit allen betroffenen Seiten abzustimmen und wirksame Gegenmaßnahmen auszuarbeiten“, sagte der chinesische Premierminister, „China denkt darüber hinaus auch darüber nach, über die EFSF, den ESM oder andere Kanäle an der Bewältigung der Schuldenkrise im Euro-Raum mitzuwirken.“
Konkreter wurde er zwar nicht, aber immerhin ist diese Aussage bereits als Weiterentwicklung der ursprünglichen Position Chinas zu werten, die nur ein Engagement innerhalb des Internationalen Währungsfonds vorsah. Wen Jiabao betonte allerdings auch, dass es zunächst Aufgabe der Europäischen Union sei, eigene Anstrengungen zur Bewältigung der Krise zu unternehmen. Dabei begrüßt er die deutschen Bemühungen um Haushaltsdisziplin und Strukturreformen in Europa.
Nicht nur beim Thema Menschenrechte, das die Kanzlerin am ersten Tag kurz angesprochen hat, sondern auch in der Außenpolitik liegen beide Seiten weit auseinander. Während Angela Merkel die Sanktionen der EU gegenüber dem Iran verteidigte, sagte Wen Jiabao: „Wir halten Dialoge und Zusammenarbeit als die einzige richtige Methode, um diese Probleme zu lösen, Sanktionen können das nicht.“ China bezieht zehn Prozent seiner Ölimporte aus dem Iran, auch die Handelsbeziehungen mit Teheran sind intensiv. „Wir sind dagegen, normale Handelskontakte zu politisieren“, mahnte Wen Jiabao. Während er den Eindruck hat, dass der Iran „den Willen hat“, die Gespräche über sein Atomprogramm wieder aufzunehmen, hörte sich das bei Angela Merkel exakt gegenteilig an. „Das gehört zu den Themen, in denen wir uns über das Ziel einig sind, aber unterschiedliche Wege gehen wollen“, erklärte sie.
Einig waren sich beide Seiten immerhin, den Dialog weiter fortsetzen zu wollen. So soll es noch in diesem Jahr die zweite Auflage der 2011 begonnenen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen geben. Und auch die Einladung zur Hannover-Messe hat Wen Jiabao freudig angenommen.