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Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron am vergangenen Sonntag in Paris.
© imago images/PanoramiC

Komplizierte Beziehung zum Ersatzmonarchen: Merkel sollte in Rüstungsfragen auf Macron zugehen

Deutschland und Frankreich sind in der EU-Erweiterungspolitik uneins. Umso dringender ist eine Annäherung in der europäischen Rüstungspolitik. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Angela Merkel hat es in ihrer Amtszeit als Kanzlerin mit vier französischen Präsidenten zu tun bekommen. Als sie Regierungschefin wurde, war noch der bodenständige und zugleich weltoffene Gaullist Jacques Chirac im Amt. Ihm folgte Nicolas Sarkozy, der auf europäischer Ebene gerne vorpreschte. Er wurde abgelöst vom Sozialisten François Hollande, der mit den Südeuropäern ein Bündnis gegen Merkel schmieden wollte. Seit zweieinhalb Jahren ist Emmanuel Macron im Amt. Er hat Frankreich in den Beziehungen zu Deutschland auf Augenhöhe gebracht. So unterschiedlich sie in ihrem Temperament waren, so haben alle Präsidenten dank der französischen Verfassung eines gemeinsam: Sie leben mit der Rolle der Ersatzmonarchen, die zugleich Fluch und Segen sein kann. Im Fall Macrons beschwört dessen Machtfülle neue europapolitische Konflikte mit Deutschland herauf.

Merkel und Macron, die sich an diesem Mittwoch beim deutsch-französischen Ministerrat in Toulouse treffen, haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren in einem unübersichtlicheren internationalen Umfeld einen guten Draht zueinander entwickelt. Das ist in der Welt der Trumps, Putins und Erdogans schon ein Wert an sich.

Macron will keine Erweiterungsgespräche mit Skopje und Tirana

Aber die engen Absprachen zwischen der Kanzlerin und dem Staatschef in Paris ändern nichts daran, dass Macrons Vision von der EU ziemlich anders aussieht als Merkels Idee von Europa. Frankreichs Staatschef will die EU vertiefen, bevor die Gemeinschaft neue Mitglieder wie Albanien und Nordmazedonien aufnimmt. Merkel hingegen hält die Beitrittsperspektive für den westlichen Balkan allein schon deshalb für sinnvoll, weil die Region nicht zum Spielball für Russland, die Türkei oder Chinas werden darf.

Der Dissens in der Erweiterungsfrage dürfte vorerst bestehen bleiben

Beim deutsch-französischen Ministerrat und beim morgen beginnenden EU-Gipfel in Brüssel dürfte offenbar werden, wie groß der Dissens zwischen der Kanzlerin und dem Präsidenten in der Erweiterungsfrage ist. Einerseits sollte man meinen, dass die europäische Zukunftsdebatte reichlich deplatziert wirkt zu einem Zeitpunkt, da die Ohnmacht der EU angesichts der türkischen Invasion in Syrien so sichtbar ist wie nie zuvor. Aber andererseits ist auch die Frage, wohin sich der Westbalkan geopolitisch langfristig entwickelt, ganz entscheidend für die Sicherheit unmittelbar vor der Haustür der EU. Macron blockiert mit großer Geste den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien. Er sollte allerdings einsehen, dass er damit innerhalb der EU eine krasse Minderheitenposition vertritt.

Einiges spricht dafür, dass der Dissens zwischen Merkel und Macron in der Erweiterungsfrage auch in Toulouse und beim EU-Gipfel in Brüssel nicht gelöst wird. Umso wichtiger ist es, dass beide wieder zu einer Annäherung in den Punkten kommen, die das bilaterale Verhältnis beider Länder unmittelbar betreffen. Dazu zählen vor allem die Waffenexporte nach Saudi-Arabien und die schleppende Zusammenarbeit zwischen Berlin und Paris bei der gemeinsamen Entwicklung eines modernen Systems für ein europäisches Kampfflugzeug. In beiden Fällen wäre es sinnvoll, wenn Deutschland sich stärker als bisher in die gemeinsame Rüstungspolitik einbringen würde – auch um den Preis einer Aufweichung bisheriger Positionen in der Rüstungsexport-Politik.

In Aachen wurde eine stärkere militärische Kooperation vereinbart

Nicht umsonst hat Macron den deutsch-französischen Ministerrat nach Toulouse verlegt, wo der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus seinen Sitz hat. Die Wahl des Ortes erinnert daran, dass sich Berlin und Paris zu Beginn des Jahres im Aachener Vertrag zu einer engeren militärischen Zusammenarbeit verpflichtet haben. Wer die offenkundigen Defizite in der Außen- und Sicherheitspolitik beklagt, kann nichts dagegen haben, wenn Deutschland und Frankreich auf diesem Feld neue Impulse setzen. So unterschiedlich es auch um die Machtfülle einer Kanzlerin und eines Präsidenten bestellt sein mag.

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