Wahlkampfhilfe für Sarkozy: Merkel sagt Unterstützung zu - Kritik aus der Opposition
Angela Merkel will Nicolas Sarkozy beim Präsidentschaftswahlkampf helfen. Die SPD kritisiert das Eingreifen der Bundeskanzlerin - und will ihr nacheifern. Welches Kalkül steckt dahinter?
Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel bewertete Merkels gemeinsames Fernsehinterview mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy vom Montag als „eher peinlich“. Seine Stellvertreterin Hannelore Kraft kündigte an, die SPD werde Sarkozys sozialistischen Gegenkandidaten François Hollande unterstützen. Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, warnte vor einer Belastung der deutsch-französischen Beziehungen.
Gabriel schrieb nach Parteiangaben auf seiner Facebookseite, bei dem gemeinsamen Fernsehauftritt Merkels und Sarkozys sei offensichtlich gewesen, dass beide keine Antworten auf die drängenden Fragen in Europa hätten. Er glaube nicht, dass die CDU-Vorsitzende dem französischen Präsidenten im Wahlkampf geholfen habe.
Kraft sagte, Merkels Wahlkampfhilfe für Sarkozy werde eher den Sozialisten helfen. Auch freue es die SPD, dass der konservative Sarkozy die Arbeitsmarktreformen von Ex-SPD-Kanzler Gerhard Schröder zum Vorbild erklärt habe. „Die SPD wird natürlich auch die französischen Sozialisten vor Ort im Wahlkampf unterstützen“, sagte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin der Düsseldorfer „Rheinischen Post“.
Trittin sagte den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“: „Eine deutsche Regierungschefin, die für einen Präsidenten in den Wahlkampf zieht, der mit dem Rücken zur Wand steht, schadet den deutsch-französischen Beziehungen.“ Wenn Merkel ein Interview mit Sarkozy gebe, seinem demokratischen Mitbewerber aber ein Treffen verweigere, verletze sie die für eine Bundeskanzlerin gebotene Neutralität.
Trittin sagte, die deutsch-französische Freundschaft sei ein Eckpfeiler deutscher Politik. „Es kann aber nicht sein, dass Regierungstreffen für Wahlkampfhilfe unter konservativen Politikern zweckentfremdet werden“, sagte Trittin. „Die deutsch-französische Achse sollte auch dann noch funktionieren, wenn ab Mai nicht mehr Nicolas Sarkozy im Elysée-Palast regiert.“
Angela Merkel findet die Sache normal. Ihr Satz über die Unterstützung für Nicolas Sarkozy und der kokette Nachsatz „egal was er tut!“ meint gar keinen Blankoscheck für den französischen Präsidenten. Merkel geht nur auf das Spiel ein, das Sarkozy kurz vorher selbst gespielt hat: Zwar weiß jeder in Frankreich, dass der Konservative sich im Frühjahr noch einmal zur Wahl stellen will; aber offiziell erklärt hat er’s noch nicht. Wenn es so weit ist, will Merkel ja sogar als Gast dabei sein. Aber die deutsch-französischen Regierungskonsultationen am Montag in Paris sind nun mal der falsche Ort für eine vorgezogene Bewerbungsrede.
Angela Merkel handelt nicht uneigennützig.
Sie sind eigentlich auch der falsche Ort für Fragen nach der Wahlkampfhilfe, die Merkel dem Franzosen leisten will. Doch seit bekannt geworden ist, dass die CDU-Chefin sich ungewöhnlich deutlich und gleich mit mehreren gemeinsamen Auftritten auf Sarkozys Seite schlagen will, lässt sich das Thema nur schlecht vermeiden. „Üblich“ sei gegenseitige Hilfe unter Parteifreunden in Europa: „Alles andere wird man sehen.“
Ansonsten merkt Merkel ein wenig spitz an, sie sei ja jetzt als deutsche Kanzlerin hier. Sie besteht auch darauf, dass ein gemeinsames Interview mit Sarkozy, das am Abend in beiden Ländern ausgestrahlt wird, ein Gespräch mit dem Präsidenten und der Regierungschefin der führenden Euro-Länder mitten in einer ernsten Krise sei: „Es ist gute Zeit, wieder einmal deutlich zu machen, wo steht Deutschland und wo steht Frankreich.“ In dem Interview bekräftigt Merkel dann, dass sie Sarkozy helfen will: Er habe sie im Wahlkampf unterstützt, jetzt unterstütze sie ihn – „natürlich“ sei das.
Dass es mehr als Parteifamilienroutine ist, hat ihr Generalsekretär Hermann Gröhe freilich bereits offen ausgebreitet: Das Tandem Merkel-Sarkozy müsse weiter die Führungsrolle in der Euro-Krise spielen. Merkel ist in ihrem Euro-Rettungskurs auf die Mitarbeit der Franzosen ja tatsächlich dringend angewiesen. Sarkozys Herausforderer zieht schließlich mit dem Versprechen in den Wahlkampf, dass er den Euro-Sparpakt nach deutscher Art blockieren werde. Ohne einen Partner in Paris aber würde jenes „Meisterwerk“ sofort zerfallen, als das Merkel den Fiskalpakt nach dem letzten Euro-Gipfel in einem seltenen Anflug von Euphorie bezeichnet hat. „Es war uns nicht in die Wiege gelegt, dass wir freundschaftlich zusammenarbeiten“, sagt Merkel im Fernsehen über Sarkozy – eine dezente Umschreibung dafür, wie nervig sie den zappeligen Franzosen anfangs fand. „Aber wir haben es aus historischer Verantwortung und auch aus persönlicher Zuneigung getan.“
Sarkozy macht seinerseits kein Hehl daraus, dass er als angehender Wahlkämpfer auf das Vorbild der Nachbarn setzt, die die Finanzkrise so ungemein gut überstanden haben. „Ich hege Bewunderung für Frau Merkel“, schwärmt der Franzose – die Kanzlerin verzieht jetzt ganz besonders keine Miene –, und versichert mit ausladender Handbewegung: „Wir wollen Deutschland nacheifern!“
In Frankreich sorgt Merkels angekündigte Hilfe für ziemliche Aufregung. In Deutschland bleibt es vergleichsweise ruhig. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles zum Beispiel fällt zum Thema europäische Parteifreunde vor allem die griechische Nea Demokratia ein. „Statt in Frankreich viel Zeit zu verbringen, sollte sie nach Griechenland reisen, um ihrem dortigen konservativen Amtskollegen Samaras einmal die Meinung zu sagen“, fordert Nahles die Kanzlerin auf. Antonis Samaras’ Konservative sind die großen Reformbremser in der Athener Koalition.
Aber abgesehen von dieser Spitze hält sich Nahles mit Kritik an Merkels Wahlkampfhilfeplänen zurück. Die wäre ja auch schwer zu begründen. Wer von der CDU-Chefin fordert, die griechische Schwesterpartei zu züchtigen, kann ihr schlecht verbieten wollen, die französische Schwesterpartei zu hätscheln. Außerdem – auch unter Europas Sozialisten lädt man sich gegenseitig ein; Sarkozys Gegenkandidat Hollande war erst unlängst Gast beim SPD-Parteitag.
Der frisch gewählte Präsident des Europaparlaments, der SPD-Mann Martin Schulz, erkennt an der geplanten Kooperation ebenfalls nichts prinzipiell Böses. Schulz bemühte sich am Montag in Berlin eher darum, das Unterfangen als inhaltlich aussichtslos zu verspotten. „Ich finde es schon interessant, wie die beiden Wahlkampf machen wollen“, ätzt Schulz. Schließlich gebe es „eklatante Widersprüche“ zwischen Merkel und Sarkozy. Der Franzose wolle eine Börsensteuer notfalls im Alleingang einführen, während die deutsche Regierungschefin ihren liberalen Koalitionspartner noch nicht einmal überzeugen könne, der Steuer im Kreis der 17 Euro-Länder zuzustimmen.
Der Sozialdemokrat macht seinerseits kein Hehl daraus, wem seine Sympathie im französischen Präsidentschaftswahlkampf gilt. Der heutige sozialistische Kandidat Hollande habe ihn seinerzeit unterstützt, als er sich 2004 anschickte, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament zu werden, berichtete Schulz. Seither habe sich seine „Leidenschaft für meinen Freund François Hollande nicht abgeschwächt“.
Die Leidenschaft teilen nicht alle Parteifreunde. Zwar gilt die allgemeine Lesart, dass die sozialdemokratische Parteienfamilie in Europa und damit auch die SPD nur davon profitieren könnte, wenn bald zwei Jahrzehnte nach dem Abgang von François Mitterrand endlich wieder ein Linker in den Elysée-Palast einziehen würde. Auch könnte ein Wahlsieg Hollandes der SPD mit Blick auf die nächste Bundestagswahl zu Rückenwind verhelfen.
Doch ist vielen Sozialdemokraten auch bewusst, dass Hollande mit vielen seiner Forderungen weit links von den deutschen Parteifreunden steht. Dass der Franzose das Renteneintrittsalter von 62 wieder auf 60 Jahre absenken will, fügt sich zum Beispiel nicht so recht in eine Linie mit der SPD-Position. SPD-Chef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier haben zudem Merkels Euro-Politik bisher stets mitgetragen.
Von prominent sozialdemokratischer Seite hat der sozialistische Kandidat denn auch unlängst eine Abfuhr erhalten. Altkanzler Gerhard Schröder war im Dezember von Sarkozy in den Elysée-Palast eingeladen worden. Dabei hat der Erfinder der „Agenda 2010“ den Gastgeber sehr gelobt: Die von Sarkozy eingeleiteten Reformen gingen in die richtige Richtung. Den Sozialisten Hollande ließ der Altkanzler hingegen bei seiner Paris-Visite links liegen – Schröder hat nicht vergessen, dass der Hoffnungsträger der französischen Sozialisten oft die Nähe Oskar Lafontaines gesucht hat. (dapd)