Türkei und Deutschland nähern sich wieder an: Merkel rechnet mit Aufhebung des Besuchsverbots für Incirlik
Das deutsch-türkische Verhältnis kommt langsam wieder ins Lot. Nach Merkels Entgegenkommen im Völkermord-Streit geht nun Erdogan auf Berlin zu.
Die Türkei sowie die EU und Deutschland gehen nach wochenlangen Spannungen wieder aufeinander zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel traf am Sonntag beim G20-Gipfel erstmals seit dem Putschversuch in der Türkei Präsident Recep Tayyip Erdogan. Merkel deutete an, dass die Türkei das bisherige Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete bei Bundeswehrsoldaten auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik in Kürze aufheben wird. Zuvor war bekanntgeworden, dass der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu zum Europarat nach Straßburg reisen werde. Dort werde darüber beraten, ob die Institution eine Rolle bei den Strafverfahren nach dem gescheiterten Staatsstreich in der Türkei spielen solle. Der Europarat befasst sich mit Fragen der Menschenrechte und der Sicherung demokratischer Grundsätze.
Die Bundesregierung hatte bereits am Freitag ein Signal an die Türkei gesendet. Merkels Sprecher Steffen Seibert hatte betont, die umstrittene Armenien-Resolution des Bundestages habe keine rechtlich bindende Wirkung. In der Resolution aus dem Juni war die Verfolgung der Armenier im Osmanischen Reich als Völkermord gebrandmarkt worden. Die Türkei hatte daraufhin ihren Botschafter aus Berlin abgezogen und Abgeordneten die Einreise in die Türkei und den Besuch von Bundeswehrsoldaten auf dem Militärstützpunkt in Incirlik verweigert.
Merkel sagte beim Treffen der 20 wichtigsten Industrieländer (G20) im chinesischen Hangzhou, im Streit über den Besuch seien positive Nachrichten in den kommenden Tagen möglich. Auch über das EU-Flüchtlingsabkommen und in Verbindung damit über die Kriterien für eine Visafreiheit für Türken bei Reisen in die EU sei gesprochen worden. Die Gespräche mit der EU-Kommission würden sehr intensiv geführt, aber noch einige Zeit dauern. Die Möglichkeit eines positiven Ausganges aber sehe sie auch hier.
EU-Minister und Türkei bekennen sich zu Flüchtlingsabkommen
Auch bei der Konferenz der EU-Außenminister im slowakischen Bratislava herrschten versöhnlichere Töne. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier stellte fest, "dass wir aus der Phase des Übereinanderredens wieder eintreten in die Phase des Miteinanderredens". Er räumte Verständigungsschwierigkeiten mit der Türkei unmittelbar nach dem Putschversuch ein. "Wir sollten in aller Deutlichkeit unterstreichen, dass wir in der Frage des Militärputsches nicht nur an der Seite der Türkei stehen." Er habe hohen Respekt vor dem türkischen Volk, das sich geschlossen gegen den Staatsstreich gestemmt und die demokratischen Einrichtungen geschützt habe.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, Europäer und die Türkei seien sich einig, dass alle Vereinbarungen weiter gelten sollten. Dies betreffe einerseits das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei, andererseits gingen aber auch die Arbeiten für die Visa-Befreiung türkischer Bürger für Reisen in die EU weiter. Der türkische Europaminister Ömer Celik verwies aber darauf, dass wegen der Sicherheitslage nach dem Putsch die EU nicht verlangen könne, die Anti-Terror-Gesetze zu mildern. Dies ist die wesentliche EU-Forderung für die angestrebte Visafreiheit.
Die EU-Außenbeauftragte reist am Freitag zu Gesprächen nach Ankara. Die EU ist auf die Türkei angewiesen, um den Zustrom von Flüchtlingen und Migranten über das östliche Mittelmeer zu dämpfen. Nach dem Putschversuch stieß in der EU die Entlassung und Verhaftung Tausender Menschen in der Türkei auf Kritik. (Reuters)