TTIP-Vorbild beim EU-Gipfel: Merkel macht bei Ceta-Entscheidung Druck auf Juncker
Das Freihandelsabkommen mit Kanada soll nicht von der Entscheidung der nationalen Parlamente abhängen, wenn es nach der EU-Kommission geht. Dies teilte Jean-Claude Juncker beim Gipfel in Brüssel mit.
Sehen so mehr Demokratie und mehr Transparenz aus, die jetzt nach dem britischen Austritts-Votum von allen Seiten gefordert werden? Wohl kaum. So sieht eher Angst aus. Angst nicht nur vor den eigenen Bürgern, sondern jetzt offenbar auch vor den nationalen Parlamenten, die das Abkommen vielleicht zu Fall bringen könnten.
schreibt NutzerIn spreeathen
Kurz nach Brexit-Referendum hat die EU-Kommission eine hoch umstrittene Entscheidung gefällt: Die Parlamente der europäischen Staaten sollen nach dem Willen der Brüsseler Behörde nicht an der Entscheidung über das ausgehandelte Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) beteiligt werden. Dies teilte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker beim Brüsseler Gipfel den 28 Staats- und Regierungschefs mit, wie die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag erfuhr.
Kanzlerin Angela Merkel will jedoch den Bundestag in die Befassung mit dem europäisch-kanadischen Handelsabkommen Ceta einbeziehen. „Wir werden den Bundestag um Meinungsbildung bitten“, sagte sie am Dienstagabend in Brüssel. Es gebe gute Gründe, die nationalen Parlamente damit zu befassen. Merkel sagte, die Kommission habe zunächst nur ihre Rechtsauffassung dargelegt. Das sei kein Grund, sie dafür „an den Pranger zu stellen“.
Auch Juncker gestand ein, dass eine Behandlung auch durch die nationalen Parlamente in Erwägung gezogen werden müsse. Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten sei dieser Auffassung. Was das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA angehe, habe es keine Einwände gegeben, dass die Kommission die Verhandlungen mit Washington fortsetze. Auch Merkel sagte, es gebe einen klaren Auftrag für weitere Verhandlungen. Daran ändere die britische Brexit-Entscheidung nichts.
Mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, hatten sich zuletzt dagegen ausgesprochen, Ceta als reines EU-Abkommen einzustufen und nach dem normalen EU-Gesetzgebungsverfahren zu behandeln. Denn dies würde dazu führen, dass an der Ratifizierung zwar das EU-Parlament beteiligt würde, dass nationale Parlamente wie der Bundestag aber nicht abstimmen könnten.
In Berlin wird dies wegen der kritischen Öffentlichkeit für unverzichtbar gehalten. In Brüssel besteht jedoch seit längerem die Sorge, dass Parlamente einzelner Staaten die Weiterentwicklung der europäischen Handelspolitik blockieren und Europa damit handlungsunfähig machen könnten. Im normalen EU-Gesetzgebungsverfahren stimmen über die Vorschläge der Kommission die Mitgliedstaaten im Europäischen Rat und das Europaparlament ab.
Die EU-Staaten können sich noch wehren
Die Vorstellung, dass nur nationale Parlamente demokratische Kontrolle gewährten, schwäche die Grundidee der EU, sagte Juncker nach den dpa-Informationen weiter. Bei Ceta handele es sich wohl um das beste Handelsabkommen, das Europa jemals vereinbart habe.
Die Zukunft des bereits ausgehandelten Abkommens ist damit offen. Die EU-Staaten könnten nun einstimmig festlegen, dass sie der Meinung der Kommission nicht folgen wollen. Es ist denkbar, dass die Verabschiedung des Abkommens auf unbestimmte Zeit blockiert wird.
Ceta gilt als Blaupause für das Mega-Abkommen TTIP mit den USA. Beide Verträge sollen für mehr Wachstum im Handel mit Nordamerika sorgen. Umwelt- und Verbraucherschützer fürchten eine Senkung von Standards. (dpa)