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Menschen laufen am Montag durch eine Einkaufsstraße in Dortmund
© AFP/Ina Fassbender

Fragen des Tages: Merkel kritisiert Lockerungsdiskussionen und Forscher warnen vor zweiter Corona-Welle

Außerdem: Inbetriebnahme des BER war noch nie so sicher und Rentenzuschlag-Auszahlungen könnten dauern. Der Nachrichtenüberblick und Tipps für die Corona-Zeit.

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Das Corona Update

Die aktuellen Zahlen zur Pandemie

  • Die Johns-Hopkins-Universität meldet weltweit knapp 2,43 Millionen bestätigte Infizierte und rund 167.000 registrierte Tote. Das sind knapp 250.000 Infizierte und rund 17.000 Tote mehr als am Freitag.
  • Beim Blick in die Bundesländer fällt auf: Bei der Verdopplungszahl der Fälle liegt jetzt Brandenburg auf dem letzten Platz. Da wirkt es durchaus eigenwillig, dass das Bundesland am Freitag die im Bundesvergleich vielleicht weitestgehenden Lockerungen der Corona-Maßnahmen beschlossen hat. Am stärksten abgeschwächt hat sich die Ausbreitung des Virus in Mecklenburg-Vorpommern. Auch wenn man ganz Deutschland betrachtet, haben sich die Neuansteckungen stark verlangsamt. Der Schnitt der vergangenen sieben Tage liegt um knapp 25 Prozent unter dem Schnitt der vorvergangenen sieben Tage.

Angela Merkel fürchtet Wiederaufflammen der Epidemie in Deutschland: Die Kanzlerin hat die Diskussionen über weitergehende Lockerungen der Corona-Maßnahmen in den Bundesländern außergewöhnlich scharf kritisiert. Sie sprach von „Öffnungsdiskussionsorgien“. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet reagierte umgehend und verteidigte seine liberale Linie. Die Öffnung von Möbelhäusern rechtfertigte er unter anderem damit, dass NRW ein Land der Küchenbauer sei. Das zeigt: Selbst in der Coronakrise hat jeder Landesfürst seine Klientel im Blick. 

Wissenschaftler warnen vor zweiter Covid-19-Welle: Tatsächlich sind die Warnungen der Kanzlerin (siehe oben) wohl nicht ganz unbegründet. Wir hatten vergangene Woche den Helmholtz-Forscher Michael Meyer-Hermann im Interview, der für eine strenge Fortführung des Lockdowns für einige weitere Wochen argumentierte.

Der Grund: Wenn wir das Virus vollständig "austrocknen" würden, seien folgende Ausbrüche leichter nachververfolgbar und damit beherrschbar. Bei großen Fallzahlen und vielen Ansteckungs-Brennpunkten sei das kaum möglich. Eigentlich logisch.

Gestern warnte Meyer-Hermann in der Talkshow von Anne Will: Durch die Lockerungen, die Bund und Länder beschlossen haben, sei in der Bevölkerung das Gefühl entstanden, das Problem sei bereits gelöst. „Das ist aber nicht der Fall“, erklärte Meyer-Hermann.

Warum ein Wiederaufflammen der Epidemie sogar noch gefährlicher werden könnte als der erste Ausbruch? Hier kommt der Charité-Virus-Erklärer Christian Drosten ins Spiel. Er warnte schon vor einigen Wochen in seinem Podcast vor einer zweiten Infektionswelle. Die würde wohl statt an ein paar einzelnen Orten in Deutschland - bei der ersten Welle waren das unter anderem Heinsberg, Ost-Bayern, Hamburg - gleichzeitig an vielen Orten ausbrechen, weil sich das Virus inzwischen recht gleichmäßig zumindest in Westdeutschland verbreitet hat. Seine Worte lassen sich so interpretieren: Statt eines sich langsam ausbreitetenden Feuers hätten wir dann eine Explosion.

Vielleicht wird sich Gesundheitsminister Jens Spahn noch über seine Feststellung vom vergangenen Freitag ärgern, das Virus sei "beherrschbar" geworden.

Wo bleibt eigentlich die Corona-App? Das mögen sich viele Bundesbürger fragen, nachdem das Robert Koch-Institut, der Gesundheitsminister und die Kanzlerin das technische Mittel als eine der wichtigsten Waffen im künftigen Kampf gegen das Virus beschrieben haben. 

Kurz zur Funktionsweise: Wer die App auf seinem Handy installiert, erlaubt alle Kontakte der letzten Zeit zu informieren und gegebenfalls auch zu testen, wenn man selbst positiv auf das Virus getestet wird. Tatsächlich ist die App, wenn sie von der Mehrheit der Bürger genutzt wird, die einzige Möglichkeit, Infektionsketten detailliert zu verfolgen. Funktioniert die App, könnte die Pandemie wohl auch mit weniger Beschränkungen in Schach gehalten werden.

Allerdings gibt es bei der Entwicklung nun ein paar gewichtige Probleme: Die Beteiligten haben sich heillos zerstritten, einige bekannte Experten sind aus dem Projekt ausgestiegen.

Der Grund: Wissenschaftler und IT-Fachleute sind sich uneins, wie die anonymen Daten zur Identifizierung einzelner App-Nutzer gespeichert werden sollen. Einer der Experten beschreibt es so: „Das ist eher ein philosophischer Streit wie die Frage nach Linux oder Windows.“ Luxusprobleme, möchte man meinen. Alle Details zur Technikposse haben meine Kollegen aus dem Tagesspiegel-Background-Team an dieser Stelle zusammengestellt.

Schockstarre, Absturz, Aufschwung – was die Krise mit den Immobilienpreisen macht: Einige Forscher sagen einen Preiseinbruch von bis zu 25 Prozent bis Jahresende voraus, andere nennen das „unseriös“ – und melden einen Anstieg. Was die Preise bewegt, lesen Sie hier. 

Der Corona-Ticker:

Bayern führt als 3. Bundesland eine Maskenfplicht ein
Spahn rechnet noch „über Monate“ mit Abstandsregeln
Berlin plant keine neuen Landeszuschüsse für leer ausgegangene Antragsteller
Jens Lehmann will Fortsetzung der Bundesligasaison mit Zuschauern
Streit über Klinik-Kapazitäten: Wie viele Krankenhäuser braucht das Land?
Corona-Demos: Wie die ARD Verschwörungstheoretikern auf den Leim ging
Kostenlose Masken sorgen in Dresden für Menschenauflauf
Telefon-Krankschreibungen weiter möglich: Sonderregelung soll bis 4. Mai gelten
+ Deutsche Urlaubsregionen hoffen trotz allem auf Besucher im Sommer
Experten streiten, ab wann Covid-19-Kranke beatmet werden sollen

Was sonst noch wichtig war:

Die Inbetriebnahme des BER war noch nie so sicher: Die Mängel an den Sicherheitskabeln sind behoben: Der TÜV hat alle Sicherheitsanlagen am BER-Terminal abgenommen. Der Flughafenchef äußert sich euphorisch.

Auszahlung des Rentenzuschlags könnte sich um Monate verzögern: Rund 1,3 Millionen Menschen sollen ab Januar 2021 Grundrente erhalten. Für einen Teil von ihnen wird die Leistung womöglich erst rückwirkend gezahlt.

Mindestens 16 Tote in Nova Scotia: Mitten in der Corona-Pandemie richtet ein Schütze im Osten Kanadas ein Blutbad an. Das Motiv ist unklar.

Volkswagen-Dieselvergleich geht in die Verlängerung: Eigentlich hätten sich Dieselopfer bis Montag dem Vergleich anschließen müssen. Nun gibt es mehr Zeit - es ist sinnvoll, sich erst auf den letzten Drücker zu melden.

Unsere Tipps für den Corona-Alltag:

Unser Rezept-Tipp: Heute gibt's einen Klassiker in drei Varianten - Pellkartoffeln mit Kräuterquark. 

Unsere Streaming-Tipps: Im Thalia Theater warten Odysseus' Söhne auf seine Rückkehr, und die Deutsche Oper zeigt noch einmal ihren Jubiläumsfilm.
Unser Sport-Tipp: Unsere heutige Übung spricht in erster Linie die Schultermuskulatur sowie die äußere Armmuskulatur an.

Gibt es was im Fernsehen?

Kino trotz Corona: „Arsenal 3“ heißt der virtuelle Saal des Filmhauses am Potsdamer Platz. Im zweiwöchigen Wechsel wird dort ein kuratiertes Filmprogramm angeboten.

Hier noch eine Interview-Empfehlung: Er heult beim „König der Löwen“ und probte schon die Oscar-Rede. Hier spricht der Schauspieler Edin Hasanović über einen schweren Unfall und bosnische Herzensmusik. 

Was sollte ich für morgen wissen?

Gericht entscheidet über Sterbehilfe bei Demenzkranken: Das höchste Gericht der Niederlande entscheidet, ob aktive Sterbehilfe bei schwer dementen Patienten erlaubt ist, wenn eine Patientenverfügung vorliegt. Es wird als wegweisendes Urteil bewertet für die weitere Legalisierung der Sterbehilfe.
Kommunisten weltweit feiern den Geburtstag (22.4.1870) des russischen Revolutionsführers Wladimir Iljitsch Uljanow (Lenin): Das Erbe Lenins ist bis heute lebendig - im Mausoleum am Roten Platz zieht sein dort öffentlich ausgestellter Leichnam noch immer viele Touristen an. Es gibt Tausende Denkmäler. Dabei fordert die russisch-orthodoxe Kirche seit langem, den Kommunisten-Anführer unter die Erde zu bringen. Kremlchef Wladimir Putin lehnt das ab. Und auch in Gelsenkirchen gab es zuletzt Streit um ein Denkmal.

Um 15:30 Uhr erklärt sich der Berliner Senat zu geplanten Lockerungen der Corona-Maßnahmen: Geplant sind unter anderem die Öffnung von Geschäften bis 800 Quadratmetern Verkaufsfläche und die Wiedereröffnung von Zoo, Tierpark und Botanischem Garten

Zahl des Tages!

40 -Millionen Tonnen Kies haben allein Deutschlands Betonmischer im vergangenen Jahr verbraucht, um Baustoff herzustellen. Die Nachfrage nach den kleinen Steinchen ist zuletzt wegen des Baubooms stark gestiegen. Nun kommt es zu Engpässen, weil immer weniger Kies in Deutschland gewonnen werden kann. Ein Gutachten schlägt Alarm: "Aufträge für größere Baumaßnahmen werden teils nicht mehr angenommen, zuerst Stammkunden bedient und Kiesmengen nach Verfügbarkeit zugeteilt." Aber mancher Engpass hat ja auch sein Gutes: Vielleicht erlebt der Baustoff Holz nun einen Boom. 

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Bleiben Sie gesund! Wenn Sie Fragen, Anregungen, Kritik haben, dann schreiben Sie mir: benjamin.reuter@tagesspiegel.de

Danke und herzliche Grüße

Ihr

Benjamin Reuter

Leiter Newsroom

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