Nach Wegfall der Praxisgebühr: Mehr Patienten beim Zahnarzt
Die Praxisgebühr hat offenbar viele vom Gang zum Zahnarzt abgehalten. Seit sie abgeschafft wurde, steigen die Patientenzahlen.
Seit dem Wegfall der Praxisgebühr gehen die Deutschen wieder häufiger zum Zahnarzt. Das zeigen Vergleichszahlen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), die dem Tagesspiegel vorliegen. Im ersten Quartal 2013, also unmittelbar nach der Gebührenabschaffung, lag die Zahl der Behandlungsfälle um 2,6 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum, das Plus betrug 530 000 Behandlungen. Und im zweiten Quartal schoss die Patientenzahl um 5,8 Prozent nach oben. Sie erreichte knapp 20,5 Millionen, ein Zuwachs um 1,4 Millionen.
Für KZBV-Chef Jürgen Fedderwitz ist die Sache damit klar: Die Aussicht, zehn Euro Praxiseintritt zahlen zu müssen, habe „viele Patienten vom regelmäßigen vorsorgeorientierten Zahnarztbesuch abgehalten“. Schließlich hat sich im Vergleich zum Vorjahr ansonsten keine einzige Rahmenbedingung verändert. Außerdem haben die Dentisten ja die Erfahrung von 2004, als die Praxisgebühr eingeführt wurde. Damals waren die Patientenzahlen um bis zu zehn Prozent eingebrochen.
Daran änderte es auch nichts, dass der Abschreckungseffekt teilweise auf Unwissen beruhte. Die halbjährliche Kontrolluntersuchung beim Zahnarzt nämlich war für Kassenpatienten von Anfang an gebührenfrei – und das galt sogar für den Fall, dass dabei geröntgt oder Zahnstein entfernt wurde. Fällig wurde der Zehn- Euro-Obolus nur, wenn die Prophylaxe eine Zahnbehandlung nach sich zog.
In diesen Fällen war die Praxisgebühr beim Zahnarzt dann allerdings immer zu entrichten, sie ließ sich nicht wie beim Facharztbesuch durch eine Überweisung des Hausarztes umgehen. Im Extremfall wurden dem Patienten pro Jahr also insgesamt 80 Euro abgeknöpft. Wegen der guten Finanzlage kippte die schwarz-gelbe Koalition die Gebühr dann zum Jahresbeginn. Dabei hatten die Zahnärzte nie verstanden, warum die Regelung auch für ihre Patienten gelten musste. Das teure „Doktor-Hopping“, mit dem die Einführung der Patientenabgabe damals vor allem begründet wurde, habe es bei Zahnärzten nie gegeben, sagt Fedderwitz. Deshalb, so sein Resümee, sei die Praxisgebühr dort „von Anfang an überflüssig“ gewesen. Und schädlich obendrein. Durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen nämlich könnten Zahnerkrankungen „teilweise ganz verhindert, zumindest aber früher erkannt und einfacher therapiert werden“. Lückenlose Prävention erhöhe die Chance, die eigenen Zähne bis ins hohe Alter gesund zu halten. Und diese Vorsorge sei durch die Praxisgebühr „ausgebremst“ worden.
Auch die Linkspartei fühlt sich durch die Zahlen bestätigt. Die schwarz-gelbe Bundesregierung habe „immer geleugnet, dass Zuzahlungen, wie auch die Praxisgebühr, Menschen davon abhalten, ihnen zustehende medizinische oder zahnmedizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen“, erinnerte der Bundestagsabgeordnete Harald Weinberg. Die zehn Euro seien aber offensichtlich auch ein Grund gewesen, weshalb Versicherte Zahnarztbesuche vermieden hätten.
Linke für kostenfreien Zahnersatz
„Es ist gut, dass die Praxisgebühr auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet ist, denn damit hängt auch eine Zahnarztbehandlung ein bisschen weniger vom Geldbeutel des Versicherten ab“, sagte der Gesundheitsexperte der Linken. Allerdings seien die vielen Selbstzahlerleistungen beim Zahnarzt ein noch größeres Problem. Wer arm sei, müsse „auf Zahnersatz und Kassenleistung ganz verzichten oder Schulden machen“. Die große Koalition wolle dieses System beibehalten, nur die Linke plädiere für eine kostenfreie Versorgung mit Zahnersatz. „Solange wir es nicht schaffen, die Armut zu besiegen, sollte man sie wenigstens nicht an den Zähnen erkennen.“
Einen stärkeren Patientenzulauf verzeichneten übrigens nicht nur die Zahnärzte, sondern auch die niedergelassenen Mediziner. Allerdings hänge dies wohl weniger mit dem Wegfall der Praxisgebühr zusammen, teilte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit. Ursächlich für den Zuwachs sei eher die „ausgeprägte Erkältungs- und Grippewelle“ zu Beginn des Jahres, sagte KBV-Chef Andreas Köhler.