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Dachdecker bis 67? Im Baugewerbe halten viele nicht bis zur regulären Rente durch.
© Foto: Patrick Pleul/ picture alliance / ZB

Studie der Techniker Krankenkasse: Mehr als jeder Zweite geht vorzeitig in Rente

Von wegen Rente mit 70: Schon jetzt verabschiedet sich mehr als die Hälfte der Beschäftigten vorzeitig aus dem Arbeitsleben. Und viele tun das nicht freiwillig.

Ob freiwillig oder gezwungenermaßen: Mehr als jeder zweite Erwerbstätige in Deutschland verabschiedet sich schon vor der regulären Altersgrenze in den Ruhestand. Jeder Siebte quittiert seinen Job wegen Schwerbehinderung, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Und ein weiteres Drittel tut dies zwar mit den nötigen Berufsjahren für einen vorgezogenen Renteneintritt – nimmt dafür aber teilweise hohe finanzielle Abschläge in Kauf.

Fit oder fertig

Der Frührentner-Befund stammt aus dem aktuellen Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK), der am Mittwoch in Berlin präsentiert wurde. Die Studie steht unter dem Motto „Fit oder fertig“, widmet sich speziell den Erwerbsbiografien und kann sich auf eine breite Datengrundlage stützen. Berücksichtigt wurden fünf Millionen Versicherte – das entspricht 15 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Land.

Die Möglichkeiten für einen vorzeitigen Berufsausstieg würden hierzulande „sehr ausgiebig genutzt“, sagte Thomas Grobe vom Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen, das die TK-Daten ausgewertet hat. Von den Beschäftigten des Geburtsjahrgangs 1953 bezogen im vergangenen Jahr bereits 54,7 Prozent eine Altersrente – obwohl sie diesem Zeitpunkt erst 64 Jahre alt waren. Aus dem Jahrgang 1954, also im Alter von 63, hatten sich bereits 30,5 Prozent der Beschäftigten ins Rentnerleben zurückgezogen.

Aus der Sicht von TK-Chef Jens Baas sollten diese Zahlen zu denken geben. „Es nützt nichts, das Renteneintrittsalter immer weiter hochzuschrauben, wenn schon heute nicht einmal jeder Zweite so lange arbeitet“, sagte der Vorstandsvorsitzende von Deutschlands größter Krankenkasse. Politik, Unternehmen und Versicherer seien gleichermaßen in der Pflicht, schnell dafür zu sorgen, dass die Berufstätige leistungsfähig blieben und bis zum regulären Rentenbeginn arbeiten könnten. Sonst führten die gesetzlichen Vorgaben statt zu längerer Lebensarbeitszeit nur zu zusammengekürzten Renten. „Das kann nicht unser Anspruch sein.“

Höchstes Risiko im Bau- und Holzgewerbe

Was die berufs- und erwerbsunfähigen Frührentner betrifft, hängt die Quote erwartungsgemäß stark von der Branche ab. Besonders betroffen seien Beschäftigte in körperlich belastenden Berufen, berichtete Grobe. Im Bau- und Holzgewerbe etwa liege das Risiko, berufs- oder erwerbsunfähig zu werden, 1,8-mal höher als in anderen Jobs. Auch Verkehrs- und Lagerarbeiter sowie Beschäftigte der Metallbranche seien deutlich stärker gefährdet. Wer dagegen in Verwaltung, Medien oder technisch-naturwissenschaftlichen Berufen arbeitet, hat der Studie zufolge weit bessere Chancen, die Regelaltersgrenze gesundheitlich fit zu erreichen als der Durchschnitt der Erwerbstätigen.

Neben den gesundheitlich Lädierten können grundsätzlich noch zwei weitere Gruppen von Erwerbstätigen vorzeitig in den Genuss ihrer Rente kommen: die sogenannten langjährig Versicherten sowie „besonders langjährig Versicherte“. Erstere benötigen dafür 35, letztere 45 Versicherungsjahre. Wer vor 1953 geboren ist und 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen oder Berücksichtigungszeiten vorzuweisen hat, kann etwa bereits mit 63 ohne Abschlag in Rente gehen. Für später Geborene erhöht sich diese Altersgrenze stufenweise – schließlich steigt auch das reguläre gesetzliche Renteneintrittsalter Zug um Zug auf 67.

„Langjährig Versicherte“ können ebenfalls ab 63 in Rente, bezahlen das dann aber lebenslang mit Abschlägen. Sie betragen je nach Geburtsdatum bis zu 14,4 Prozent. Und für einige Geburtsjahrgänge besteht aufgrund von Vertrauensschutzregelungen sogar die Möglichkeit, mit Abschlägen vor dem vollendeten 63. Lebensjahr Altersrente zu beziehen.

Betriebliches Gesundheitsmanagement wird immer wichtiger

Angesichts der Tatsache, dass sich nun auch zunehmend die Generation der Babyboomer in die Jahre kommt, sei der Trend zur Frühverrentung höchst bedenklich, sagte Baas – und zwar nicht nur für die Rentenkassen, sondern auch für die Arbeitgeber. Schließlich werde schon jetzt "händeringend" nach Fachkräften gesucht. Und durch den Abschied von langjährig Berufstätigen enormes Wissens- und Leistungspotenzial verloren.

Betriebliches Gesundheitsmanagement werde immer wichtiger, so der Kassenchef. „Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, muss ich das Signal senden, dass ich mich um meine Mitarbeiter kümmere – auch in gesundheitlicher Hinsicht.“

Interessante Details liefert der Report auch zu den Gründen, weshalb Berufstätige ihre Arbeit kurz- oder längerfristig unterbrechen. Der häufigste Grund ist Arbeitslosigkeit. Von den 20- bis 65jährigen mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zum Jahresbeginn 2013 traf das in den vergangenen fünf Jahren 15,2 Prozent. Am häufigsten verloren ihren Job Leiharbeiter, Berufseinsteiger und Beschäftigte kurz vor der Rente.

Fünf Prozent der Männer gehen in Elternzeit

Der zweithäufigste Grund für einen Jobausstieg ist das Kinderkriegen. 15 Prozent der Frauen und fünf Prozent der Männer nahmen demnach zwischen 2013 und 2017 Elternzeit beziehungsweise Elterngeld in Anspruch. Im Alter zwischen 31 und 32 Jahren war es mehr als die Hälfte aller Frauen. Männer kamen zwischen 32 und 34 auf die höchste Quote, sie betrug 17 Prozent. Besonders in Anspruch genommen wird dieses Angebot der Studie zufolge von Eltern mit hohem Bildungsabschluss. Gering Qualifizierte dagegen nutzen diese Möglichkeit zur befristeten Auszeit nur unterdurchschnittlich.

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