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Militär patrouilliert in den Straßen von Addis Ababa.
© Tiksa Negeri/Reuters

Nach Mord an Polit-Sänger: Mehr als 90 Tote bei Protesten in Äthiopien

Die ethnischen Spannungen in Äthiopien sind in Gewalt umgeschlagen. Menschenrechtler warnen vor einer weiteren Eskalation in dem 100-Millionen-Staat.

Bei Protesten in Äthiopien nach dem Tod eines prominenten Sängers uns politischen Aktivistensind mehr als 90 Menschen getötet worden. In Oromia seien mindestens 81 Menschen ums Leben gekommen, zitierte die regierungsparteinahe Nachrichtenseite Walta Info den Polizeichef der Region. Zudem seien in Addis Abeba zehn Leute getötet worden, darunter zwei Polizisten, sagte der Polizeichef der Hauptstadt am Donnerstag im staatlichen Fernsehen.

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Der Sänger Hachalu Hundessa, der für seine politischen Lieder bekannt ist und von vielen Oromo als Verfechter der Bevölkerungsgruppe angesehen wird, wurde am Montag getötet. Daraufhin kam es am Dienstag in Addis Abeba sowie in Oromia zu teilweise blutigen Protesten. Hachalu wurde am Donnerstag in Ambo in der Oromia-Region beerdigt. Eine kleine Menschenmenge nahm an der Zeremonie teil, wie im staatlichen Fernsehen zu sehen war.

Bei der Begräbniszeremonie im Fußballstadion von Hundessas Heimatstadt Ambo wies dessen Vater Vorwürfe zurück, die Regierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed habe etwas mit dem Tod seines Sohnes zu tun. Demonstranten hatten versucht, die Überführung von Hundessas Leichnam nach Ambo zu verhindern. 35 Menschen wurden deshalb festgenommen, unter ihnen auch Jawar Mohammed, ein Medienunternehmer und Oppositioneller. Der Präsident der Oromia-Region, Shimelis Abdissa, kündigte an, ein Denkmal für den Sänger in der Hauptstadt Addis Abeba errichten zu wollen.

Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed.
Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed.
© Foto: Francisco Seco/AP/dpa

Hintergrund der Unruhen sind seit längerem wachsende Spannungen zwischen Oromo-Nationalisten und Ministerpräsident Abiy Ahmed, der selber Oromo ist. Hundessas Songs galten als „Soundtrack“ der Oromo-Proteste, die 2018 zum Sturz der Regierung von Ministerpräsident Hailemariam Desalegn und der Amtsübernahme durch Abiy geführt hatten.

Abiy wird als Reformer gesehen. Er erhielt unter anderem wegen seiner Befriedungsbemühungen am Horn von Afrika 2019 den Friedensnobelpreis. Allerdings sind während seiner Amtszeit ethnische Spannungen und Konflikte wieder stark angestiegen.

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Der festgenommene Oppositionspolitiker Jawar Mohammed, in dessen Fernsehsender zahlreiche Kritiker des Ministerpräsidenten zu Wort kommen, wirft Abiy vor, sich zu wenig um die Belange der Oromo zu kümmern und spricht sich für eine Unabhängigkeit der Region aus. Die Oromo - die größte ethnische Gruppe in dem Land mit seinen rund 100 Millionen Einwohnern - fühlen sich seit Jahren marginalisiert.

Am Donnerstag blieb auch das Internet in Teilen Äthiopiens weiterhin abgeschaltet. Aus dem Grund konnte unter anderem das wöchentliche Online-Briefing der Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union (AU) zur Lage der Corona-Krise in Afrika nicht stattfinden. Human Rights Watch kritisierte das Verhalten der Sicherheitskräfte gegenüber den Demonstranten scharf. „Die Reaktion der Regierung auf die Proteste droht seit langem, schwellende Spannungen zu verschärfen“, hieß es. Nach dem Tod des Sängers und den darauffolgenden Unruhen würden Sicherheitskräfte weitere Spannungen schüren, anstatt sich um Deeskalation zu bemühen, kritisierte die Gesellschaft für bedrohte Völker. (dpa, epd)

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