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US-Präsident Joe Biden
© Imago/UPI Photo/Ken Ceden

US-Umfrage fast ein Jahr nach Amtsantritt: Mehr als 40 Prozent zweifeln an rechtmäßiger Wahl Bidens

Noch immer verbreitet Trump seine Lügen vom Wahlbetrug. Beweise gibt es nicht. Doch die Vorwürfe belasten Bidens Präsidentschaft und spalten die Nation.

Am 6. Januar 2021 stürmten Anhänger des damaligen US-Präsidenten Donald Trump das Kapitol in Washington, das Herz der amerikanischen Demokratie. Zuvor hatte Trump immer wieder behauptet, er sei um den Sieg bei der Wahl im November 2020 betrogen worden.

Beweise dafür hat Trump nie vorgelegt. Dutzende Klagen gegen das Wahlergebnis scheiterten vor Gerichten in den USA. Trumps Behauptungen wurden immer wieder als Lügen entlarvt. Aber dennoch sind die USA auch fast ein Jahr nach der Amtseinführung von Joe Biden ein tief gespaltenes Land.

[Lesen Sie auch: Tote, Verletzte, Erschütterte: Die USA und das Trauma der Kapitol-Erstürmung (T+)]

Einer aktuellen Umfrage des Instituts Momentive für die Nachrichtenseite „Axios“ zufolge glaubt nur etwas mehr als die Hälfte der Amerikaner, dass Biden die Wahl rechtmäßig gewonnen hat. Lediglich 55 Prozent von fast 2700 im Zeitraum vom 1. bis 3. Januar 2022 Befragten sahen Biden als den legitimen Nachfolger von Trump, 26 Prozent verneinten dies, 16 Prozent waren sich „nicht sicher“.

Mehr als 40 Prozent der Amerikaner zweifeln demnach daran, dass Biden die Wahl rechtmäßig gewonnen hat.

Auffällig ist, dass sich die Zahlen kaum verändert haben. Vor einem Jahr hatten 58 Prozent der Aussage zugestimmt, Biden sei der legitime Präsident, 27 Prozent hatten dies eindeutig verneint, elf Prozent waren nicht sicher.

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Das bedeutet: Die Zweifel an der Legitimität der Präsidentschaft Bidens sind auch nach annährend zwölf Monaten seiner Regierungszeit weiter da - obwohl es nie einen Beleg für Wahlbetrug gegeben hat.

„Die Spaltung ist noch immer da“

„Es ist entmutigend, dass sich nach dem schockierenden Ereignis, das wir alle vor einem Jahr erlebt haben, die Wahrnehmung in der Bevölkerung nicht verändert hat“, sagt Laura Wronski, führende Managerin beim Institut Momentive, zu den Zahlen bei „Axios“. Entweder habe Biden „nicht genug getan“, diese Wahrnehmung zu ändern. Oder er habe „nie eine Chance“ dafür gehabt. „Die Spaltung ist immer noch da“, sagt Wronski.

Weitere zentrale Ergebnisse der Umfrage:

  • Fast zwei Drittel der Befragten (63 Prozent) waren der Ansicht, der 6. Januar 2021 habe zumindest vorübergehend die Einstellung der US-Bürger zu ihrer demokratisch gewählten Regierung verändert.
  • Weniger als die Hälfte der Befragten (49 Prozent) hat Vertrauen in die amerikanische Demokratie
  • 37 Prozent gaben an, dieses Vertrauen verloren zu haben.
  • Zehn Prozent sagten, nie an das System geglaubt zu haben.

Etwas mehr als die Hälfte der Amerikaner (53 Prozent) empfindet - kaum verändert zu Umfragen vom Januar und Mai 2021 -,dass die USA gespaltener sind als jemals zuvor - und dass dieser Zustand auch länger anhalten wird. 28 Prozent sehen ebenfalls eine Spaltung, glauben aber, dass die Brüche bald überwunden werden, 16 Prozent verneinten eine historisch tiefe Spaltung der Vereinigten Staaten.

Ex-Präsident Carter warnt vor „realer Gefahr eines zivilen Konflikts“

Schließlich ist der Umfrage zufolge eine Mehrheit der Amerikaner (57 Prozent) auch davon überzeugt, dass Ereignisse wie der Angriff auf das Kapitol sich in den kommenden Jahren wiederholen könnten.

Dem US-Justizministerium zufolge sind bisher 725 Verdächtigte im Zusammenhang mit dem Angriff auf das Kapitol festgenommen und angeklagt worden. Die Justiz sei entschlossen, alle Täter zur Rechenschaft zu ziehen, „ob sie an jenem Tag präsent waren oder anderswie strafrechtlich verantwortlich waren für den Angriff auf unsere Demokratie“, sagt Justizminister Merrick Garland. „Wir werden den Fakten folgen, wo auch immer sie hinführen.“

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Was ungeachtet der Bemühungen der Justiz die Gefahr für eine Wiederholung ähnlicher Ereignisse erhöht, ist vor allem auch die Haltung der US-Republikaner. Noch immer glaubt eine Mehrheit von ihnen Trumps Lüge vom Wahlbetrug. Und sie distanzieren sich nur halbherzig oder gar nicht von der Gewalt am 6. Januar 2021.

Trump-Anhänger am 6. Januar 2021 im Kapitol in Washington
Trump-Anhänger am 6. Januar 2021 im Kapitol in Washington
© AFP/Saul Loeb

Der frühere US-Präsident Jimmy Carter sorgt sich anlässlich des Jahrestags um die Demokratie in den USA und macht dafür vor allem auch die Republikaner verantwortlich. Die Verfechter der „Lüge“, wonach die Wahl gestohlen worden sei, hätten „eine politische Partei übernommen und das Misstrauen in unser Wahlsystem geschürt“, schreibt Carter in einem Gastbeitrag für die „New York Times“.

„Unsere große Nation steht am Rande eines sich vergrößernden Abgrunds“, schreibt Carter weiter. „Wenn wir nicht sofort handeln, besteht die reale Gefahr eines zivilen Konflikts und des Verlusts unserer wertvollen Demokratie.“

Wie groß die Gewaltbereitschaft der Trump-Anhänger tatsächlich ist, lässt sich schwer ermitteln, wie die „New York Times“ am Beispiel verschiedener Umfragen anschaulich darstellt.

Die Historikerin Kathleen Belew von der Universität Chicago, die sich mit innerstaatlichem Extremismus beschäftigt, sieht etwa beim Sturm auf das Kapitol drei Strömungen rechter Aktivität. „Das waren Leute, die einfach nur ihre Unzufriedenheit mit dem Wahlergebnis kundtun wollten. Da waren Leute, die erst an diesem Tag gewalttätig geworden sind. Und dann waren da Leute, die extra dahin gegangen sind, um gewalttätig zu sein“, sagte Belew der Zeitung.

Donald Trump, damals Präsident der USA, bei einer Kundgebung vor Anhängern am 6. Januar 2021
Donald Trump, damals Präsident der USA, bei einer Kundgebung vor Anhängern am 6. Januar 2021
© dpa/AP/Evan Vucci

Zum Jahrestag von einem der schwärzesten Tage in der amerikanischen Geschichte warnt US-Präsident Biden, mit dem bei einer CNCB-Umfrage im Dezember nur 44 Prozent der Amerikaner zufrieden waren, vor der Akzeptanz politischer Gewalt in den USA. „Werden wir eine Nation sein, die politische Gewalt als Regelfall akzeptiert?“, heißt es in dem vorab verbreiteten Redetext Bidens. „Wir können es uns nicht erlauben, diese Art von Nation zu sein.“

„Werden wir eine Nation sein, in der wir es zulassen, dass parteiische Amtsträger der Wahl den rechtmäßig zum Ausdruck gebrachten Willen des Volkes umstoßen?“ fragt Biden weiter. An die US-Bürger richtet er demnach die Aufforderung, „die Wahrheit anzuerkennen“ und nicht „im Schatten der Lügen“ zu leben.

[Lesen Sie auch: Ein Jahr nach dem Kapitol-Sturm – der Putschversuch und die Gefahr für Trumps Ambitionen 2024 (T+)]

Deutlich wurde auch Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat, Chuck Schumer: „Es ist die von Donald Trump verbreitete große Lüge, die das Vertrauen in unser politisches System untergräbt und unsere Demokratie, unser Land, weniger sicher macht.“

Und er warnte eindringlich vor der Gefahr, die auch die aktuellen Umfragen nahelegen. „Täuschen Sie sich nicht: Die Ursache für den 6. Januar ist auch heute noch präsent“, sagte Schumer. (mit dpa)

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