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Sportlich: Im Jogginganzug kaum SPD-Parteivize Olaf Scholz am Donnerstag zur Sondierung im Konrad-Adenauer-Haus.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Sondierungen vor der Schlussrunde: Meckern unerwünscht

Dass einer ihrer Leute öffentlich stänkert, gefällt der CDU-Chefin überhaupt nicht. Aber auch die SPD steht unter Druck: Sie muss Erfolge vorweisen.

Beim letzten Mal, sagt einer aus der CDU-Spitze, bei der letzten Sondierung mit der SPD vor vier Jahren also sei die Herausforderung jenseits aller Spiegelstriche simpel gewesen: "Die brauchten den Mindestlohn." Als die Union dem damaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel diese Großtrophäe zugestand, war im Kern der Weg zum Ja zur großen Koalition für SPD-Gremien und Parteibasis bereitet. Doch diesmal fehlt es an einem sozialdemokratischen Leuchtturmprojekt. Deshalb bereitet es längst nicht nur in der SPD manchem Kopfzerbrechen, womit jetzt der SPD-Chef Martin Schulz die eigene Partei wieder in das ungeliebte Bündnis mit Angela Merkel und Horst Seehofer führen will.

Die Frage ist auch für die Union nicht banal. Merkel wie Seehofer können sich einen zweiten Fehlschlag nach Jamaika nicht leisten. Ein Nein der SPD zu dem, was ihre eigene Führung ausgehandelt hat, würde die folgenschwere Frage nach einer Mitschuld der Kanzlerin aufwerfen. Für die Chefs von CDU und CSU sind die Sondierungsgespräche deshalb ein doppelter Balanceakt: Sie stehen nach ihren historisch schlechtesten Wahlergebnissen vom 24. September in den eigenen Parteien unter Bewährungsaufsicht und müssen zugleich mithelfen, dass Mit- Wahlverlierer Schulz sein Spiel gewinnt.

Der Fall Kretschmer zeigt, wie angespannt die Lage ist

Wie angespannt die Lage auch auf Unionsseite eingeschätzt wird, hat der Fall Michael Kretschmer gezeigt. Der neue sächsische Ministerpräsident hatte zu Wochenanfang öffentlich Kritik an einer, wie er fand, falschen "Grundtonalität" der Gespräche geübt, in denen es zu viel ums Geldausgeben und zu wenig ums Erwirtschaften gehe. Normalerweise wäre das als alte CDU-Leier und Profilierungsgehabe eines weithin unbekannten Hoffnungsträgers aus der Provinz schlicht ignoriert worden.

Doch Kretschmer wurde nicht nur von Fraktionschef Volker Kauder öffentlich, sondern danach gleich noch von der Chefin selbst intern der Kopf gewaschen. „Der wurde herbeizitiert“, sagt ein Eingeweihter. Auch für Merkel und Seehofer ist ein großkoalitionäres Weitermachen, das aber eben kein "Weiter-so" bleiben soll, nicht leicht zu begründen. Generalgemeckere, das nur die Skeptiker bestärken kann, ist da das Letzte, was sie brauchen.

Doch das Schweigegelübde macht ja nur Sinn, wenn das Ergebnis die Disziplin rechtfertigt. Bisher sind Überraschungen nicht erkennbar. Vielmehr klingt das, was aus den Gesprächen zu hören und zu lesen ist, nach einer Ansammlung vieler Spiegelstriche. Auf der "Bürgerversicherung" etwa besteht offenbar nicht mal die SPD selbst; auf Unionsseite liegt ein ganzer Korb von Reformideen im bestehenden Kassensystem auf dem Tisch. Aber ob das dem SPD-Parteitag und hinterher den Mitgliedern reicht? Könnte, sinnieren sie in der CDU, ein höherer Spitzensteuersatz der rote Leuchtturm 2018 werden, der der Mindestlohn 2013 war?

Berichte über Einigung beim Familienzug waren falsch

Zugleich, wie gesagt, ist der Kompromissspielraum auf Unionsseite ebenfalls eng. Beim Streit über die Flüchtlingspolitik etwa will speziell die CSU auf keinen Fall hinter dem Jamaika-Endstand zurückbleiben, den Seehofer danach als Sieg auf ganzer Linie beschrieben hatte. Berichte über eine Einigung beim Familiennachzug erwiesen sich denn auch am Mittwoch prompt als falsch.

Der Ärger in der SPD war groß, nachdem die "Bild"-Zeitung gemeldet hatte, die Sozialdemokraten hätten eine großzügige Härtefallregelung ausgehandelt und zugestimmt, dass der Familiennachzug ausgesetzt bleiben solle. Die SPD-Führung weiß: Wenn eine Nachricht über ihr Nachgeben an einem wichtigen Punkt nicht von Meldungen über sozialdemokratische Erfolge an anderer Stelle ausgeglichen wird, nährt das nur den Verdruss der ohnehin skeptischen Basis.

SPD-Vize Ralf Stegner machte deshalb auf Twitter seinen Verhandlungspartnern Vorwürfe: Die Veröffentlichungen "von Halbwahrheiten, Zwischenergebnissen mit tendenziösem Spin aus Unionskreisen" hätten die ohnehin schwierigen Gespräche "nicht erleichtert", schimpfte er. Trotz vieler offener Fragen wächst in seiner Partei aber nun die Zuversicht, dass am Ende im Sondierungspapier genügend SPD-Forderungen zu lesen sein werden, um auch den Sonderparteitag vom 21. Januar zu überzeugen.

Doch um wirklich dorthin zu kommen, muss die SPD noch hart ringen: Die abschließende Verhandlungsrunde vom Donnerstag, so hieß es, werde wohl so schwierig werden, dass sie bis in die Morgenstunden des Freitags dauern könne.

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