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Herausgeputzt vor Bidens Besuch.
© Reuters

Zypern: Marshallplan für die geteilte Insel

US-Vizepräsident Joe Biden besucht Zypern. Es geht um Investitionen und die Wiedervereinigung. Aber nicht alle auf der geteilten Insel freuen sich über den Gast.

US-Vizepräsident Joe Biden sondiert auf der geteilten Mittelmeerinsel Zypern die Chancen für eine Wiedervereinigung. Mehr denn je sind die USA an einer Lösung des Zypern-Problems interessiert. Biden kam am Mittwoch auf Zypern an und bleibt bis Freitag. Aber nicht allen Politikern auf der Insel ist der Gast aus Washington willkommen.

Der letzte Besuch eines so ranghohen US-Politikers liegt 52 Jahre zurück: 1962 kam Vizepräsident Lyndon B. Johnson auf die Mittelmeerinsel. Zypern war erst zwei Jahre zuvor von Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassen worden. Aber die Volksgruppenkonflikte zwischen den Inselgriechen und der türkischen Minderheit, die später zur Teilung führen sollten, zeichneten sich bereits ab.

Nichts geändert hat sich an Zyperns geopolitisch wichtiger Lage als „unsinkbarer Flugzeugträger“ im östlichen Mittelmeer. Großbritannien hat hier zwei exterritoriale Luftwaffenbasen. Die strategische Bedeutung der Insel ist sogar gewachsen, wenn man an die Umwälzungen im Nahen Osten und Nordafrika sowie die Krise in der Ukraine denkt. Hinzu kommen die vermutlich nicht unbedeutenden Erdgasvorkommen vor Zyperns Küsten. Sie könnten helfen, Europa unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu machen – woran auch die USA großes Interesse haben. Der kürzeste und kostengünstigste Weg, das zyprische Gas nach Europa zu bringen, wäre der Bau einer Pipeline zum türkischen Festland, wo das Gas in das bestehende Leitungsnetz eingespeist werden könnte. Doch das setzt eine Einigung auf der seit 1974 gespaltenen Insel voraus.

Nicht nur energie-, auch sicherheitspolitisch käme den USA eine Lösung der Zypern-Frage sehr gelegen. Der seit März 2013 amtierende konservative Inselpräsident Nikos Anastasiadis hat bereits angedeutet, ein wiedervereinigtes Zypern könnte der Nato beitreten. Nachdem sich Zypern in den 60er Jahren der Bewegung der Blockfreien angeschlossen hatte und manchen Militär-Analysten als eine Art „Kuba des Mittelmeeres“ galt, würde ein Nato-Beitritt die Kräfteverhältnisse im östlichen Mittelmeer erheblich zugunsten der Allianz und zum Nachteil Russlands verändern.

In Zypern gibt es seit Wochen Spekulationen, Biden bringe einen kompletten Einigungsplan aus Washington mit. US-Diplomaten dementieren das entschieden. Es gibt aber offenbar konkrete Überlegungen, wie die USA zu einer Lösung beitragen könnten. Im Gespräch ist eine Art „Marshallplan“ für den Wiederaufbau der einstigen Urlauberregion Famagusta und der „Geisterstadt“ Varosha, deren Hotels seit der türkischen Invasion 1974 leer stehen.

Ausländische Investitionen braucht die Kriseninsel Zypern, die Anfang 2013 am Rand des Staatsbankrotts stand, jetzt dringend. Dennoch ist Bidens Besuch nicht allen Politikern im griechischen Inselsüden willkommen. Die Oppositionsparteien kritisieren, dass Biden am heutigen Donnerstag auch den türkisch-zyprischen Volksgruppenführer Dervis Eroglu treffen wird. Damit werde die Republik Zypern herabgewürdigt und die international geächtete „Türkische Republik Nordzypern“ (KKTC) aufgewertet, zetern Oppositionspolitiker.

Um jeden Anschein einer völkerrechtlichen Anerkennung des Gänsefüßchenstaates zu vermeiden, will Biden den Inseltürken Eroglu, der als Präsident der KKTC firmiert, nicht in dessen Amtssitz, sondern in seiner Privatresidenz treffen, ohne Flaggen und Staatssymbole.

Der Streit zeigt, wie stark viele zyprische Oppositionspolitiker immer noch in der Teilungs- und Alleinvertretungsrhetorik der Vergangenheit gefangen sind – kein gutes Vorzeichen für die Einigungsbemühungen.

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