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Der frühere EU-Kommissar Mario Monti soll vorübergehend die Regierungsgeschäfte in Italien übernehmen.
© Reuters

Berlusconi geht: Mario Monti: Regierungschef für den Übergang

Italiens Noch-Premier Berlusconi findet sich mit Monti als Nachfolger ab – für den würde es noch schwerer als bisher geglaubt.

Der Börsenschock vom Mittwoch hat Hektik in Italien ausgelöst. Anders als zunächst geplant, wollen sich die beiden Kammern des Parlaments mit den von der EU geforderten Sanierungsbeschlüssen nicht bis Ende des Monats Zeit lassen, sondern sie schon an diesem Wochenende fassen. Damit wäre die Bedingung Silvio Berlusconis für einen Rücktritt weit früher als erwartet gegeben. Bereits am Sonntag könnte der frühere EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti zum Chef einer Übergangsregierung benannt werden. Sie würde aus einer vergleichsweise kleinen Mannschaft renommierter, tendenziell partei-ungebundener Fachleute bestehen.

Während die Finanzmärkte am Donnerstag mit Erleichterung auf die mögliche Wende in Italien reagierten – auch die Mailänder Börse legte zu – und die zuletzt auf griechische Höhen gestiegenen Risiko-Aufschläge für italienische Staatsanleihen spürbar sanken, stellte sich für EU-Kommissar Olli Rehn die Lage Italiens weiterhin düster dar. Angesichts eines faktischen Null-Wachstums werde Italien den von Berlusconi versprochenen Haushaltsausgleich bis 2013 nicht schaffen, sagte Rehn. Damit wäre auch der geplante Abbau der Staatsschulden von derzeit 120,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 112,6 Prozent nicht möglich. Brüssel fordert deshalb über die vom EU-Gipfel bereits gebilligten Sanierungsmaßnahmen hinaus „weitere Aktionen“. Italiens Industrieproduktion ist im September überraschend um 4,8 Prozent eingebrochen und damit so stark wie seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 nicht mehr; das im europäischen Vergleich überdurchschnittliche Exportwachstum in der ersten Jahreshälfte 2011 hatte bis zuletzt andere Erwartungen genährt.

Unterdessen hat sich auch Berlusconi, der sich nach einem nächtlichen Krisengipfel den ganzen Donnerstag zu Beratungen zurückgezogen hatte, mit der Aussicht auf eine Übergangsregierung unter Mario Monti abgefunden. Eine solche Lösung sei „unausweichlich“, gab er zu. Ursprünglich hatte er sofortige Neuwahlen verlangt und so lange seinen Parteisekretär Angelino Alfano als Nachfolger einsetzen wollen.

Berlusconis eigene Partei jedenfalls zeigte sich bis Donnerstag in einem Zustand tiefer Spaltung. Die Lega Nord als Koalitionspartner besteht weiterhin auf sofortigen Neuwahlen. Diese allerdings werden von praktisch allen anderen politischen Kräften ausgeschlossen: Italien, so heißt es einstimmig, könne jetzt keine Zeit der Unsicherheit und der weiteren politischen Lähmung vertragen.

Inzwischen haben die etwa zwanzig Inspektoren der EU und der Europäischen Zentralbank begonnen, in verschiedenen römischen Ministerien die Angaben Berlusconis und die Umsetzung seiner Sanierungsversprechen zu kontrollieren. Zusätzlich muss die Regierung „bis Freitag dieser Woche, und zwar in Englisch“ auf 39 einschlägige Fragen der EU-Kommission antworten. Italienische Medien vermerken, so hart und ultimativ sei nicht einmal mit Griechenland umgesprungen worden.

Die Beschlüsse zur Haushaltssanierung, die nun bis Samstag im Parlament definitiv beschlossen werden sollen, werden sich für die Bürger nicht in sofortigen Einschnitten bemerkbar machen. Der Hauptsatz der Mehrwertsteuer ist bereits vor Wochen, infolge der ersten Krisenmaßnahmen, von 20 auf 21 Prozent gestiegen. Eine Abschöpfung von Girokonten oder eine Vermögensteuer für Reiche – diese wird selbst von der Industrie gefordert – lehnt Berlusconi ab. Außen vor bleibt auch die Grundsteuer, deren Abschaffung eines der größten (und tatsächlich umgesetzten) Wahlversprechen Berlusconis war. Möglich ist aber eine Erhöhung der Benzinsteuer.

Eine Abschaffung der so verbreiteten wie haushaltsgefährdenden Frühpensionen, wie sie die EU verlangte, ist in Rom bisher am Widerstand der Lega Nord gescheitert. Eingeführt wird aber die „Kurzarbeit null“ für „überschüssiges“ Personal im öffentlichen Dienst. Zur Senkung der Arbeitslosigkeit von Jugendlichen – derzeit über 29 Prozent – sollen Ausbildungsverhältnisse für drei Jahre von allen Steuern und Abgaben befreit werden.

Paul Kreiner

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