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Die häufigste Behandlungsform von Prostatakrebs in deutschen Kliniken ist die radikale retropubische Prostatektomie, die Komplettentfernung der Drüse. Angesichts der vielen Nebenwirkungen durch solche Operationen plädieren Gesundheitsexperten, stärker über andere Therapieformen nachzudenken.
© dapd

Prostatakrebs: Männer klagen über OP-Folgen

In Deutschland wird Prostatakrebs meist operativ behandelt – häufig kommt es dabei zu Komplikationen und teils gravierenden Folgewirkungen. Der Nutzen des Eingriffs ist umstritten, gäbe es doch schonende Alternativen.

Bei Prostata-Operationen in deutschen Kliniken kommt es offenbar häufiger zu Komplikationen als in anderen Ländern. Außerdem muss ein Großteil der Patienten mit teils gravierenden Folgewirkungen rechnen. Dies geht aus dem aktuellen Krankenhausreport der Barmer GEK hervor, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Der Studie zufolge äußerte sich nur jeder zweite der betroffenen Männer mit dem Behandlungsergebnis zufrieden – trotz des „Erleichterungseffekts“ nach überstandener Operation. 70 Prozent klagten auch ein Jahr nach dem Eingriff noch über anhaltende Impotenz, knapp 16 Prozent gaben an, das Wasser seither nicht mehr richtig halten zu können. Und jeder Fünfte berichtete von Komplikationen im Zusammenhang mit der Klinikbehandlung, bei 11,5 Prozent der Patienten kam es zu starken Blutungen. Im internationalen Vergleich seien „diese Raten hoch“, sagte die Sozialmedizinerin und Autorin des Reports, Eva Maria Bitzer.

Beim Prostatakrebs handelt es sich nach dem Hautkrebs um die zweithäufigste Krebserkrankung von Männern. 13 000 sterben pro Jahr daran, das ist jeder zehnte Krebstote. Und die Zahl der Klinikbehandlungen wächst stetig – was dem Report zufolge allerdings allein auf die veränderte Alterstruktur zurückzuführen ist. Zwischen 1994 und 2010 stieg die Fallzahl um rund 40 Prozent, von knapp 59 000 auf mehr als 83 000. Die jährlichen Kosten dafür beziffern die gesetzlichen Kassen auf 365 Millionen Euro.

International besehen lägen die Behandlungszahlen in Deutschland gleichwohl „auf hohem Niveau“, gab der Vizechef der Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker, zu bedenken. So wurden 2011 in Deutschland im Jahr 2010 etwa so viele Prostatakrebsfälle behandelt wie in den weit bevölkerungsreicheren Vereinigten Staaten. Und operiert würden Prostata- Karzinome hierzulande ungefähr doppelt so häufig wie in den USA.

Die häufigste Behandlungsform von Prostatakrebs in deutschen Krankenhäusern ist die vollständige Entfernung der Drüse. Im Schnitt geschieht das bei jedem zweiten Patienten, bei Männern unter 55 liegt die Quote sogar bei 80 Prozent. Angesichts der Vielzahl von Nebenwirkungen durch solche Operationen wie auch durch Bestrahlung und medikamentöse Behandlung plädierte Report- Autorin Bitzer, stärker über andere Therapieformen nachzudenken. „Aktive Überwachung“ und ein langfristiges Beobachten des Karzinoms seien echte Alternativen, sagte sie. Sie müssten von den Ärzten „sehr viel stärker als bisher gegenüber den Patienten propagiert werden“. Schließlich seien Prostatakarzinome hierzulande in drei von vier Fällen lokal begrenzt. Und eine US-Studie habe gezeigt, dass Prostataentfernungen in diesen Fällen nicht lebensverlängernd wirken.

Schlenker stellte klar, dass seine Kasse die umstrittenen PSA-Vorsorgetests wegen ihrer unspezifischen Aussagekraft auch künftig nicht als Satzungsleistung anbieten werde. Mit Lob bedachte er die Pläne von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zur Verbesserung der Krebsvorsorge. Regelmäßige Einladungen zur Früherkennung von Darm- und Gebärmutterhalskrebs seien ebenso sinnvoll wie flexiblere Altersvorgaben für die Vorsorgeuntersuchungen. Allerdings müssten auch die Bundesländer und die privaten Krankenversicherer an den Kosten dafür beteiligt werden.

Rainer Woratschka

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