Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer: Malta fürchtet weitere Flüchtlingsboote
Die Flüchtlinge sind verzweifelt, die Helfer bewegt. Das kleine Malta muss alles verkraften - die Menschen dort bitten die EU dringend um Unterstützung.
Die Bevölkerung des am dichtesten besiedelten und zugleich kleinsten EU-Mitgliedslandes Malta ist angesichts der immer dramatischeren und häufigeren Landungen von Bootsflüchtlingen gespalten. „Ich bin stolz auf Malta, dass wir so viele Flüchtlinge retten konnten“, meint zum Beispiel die maltesische Zeitungskommentatorin und -bloggerin Alison Bezzina. „Die Situation wird indes von Tag zu Tag schwieriger.“ Auch künftig würden Menschen verständlicherweise aus den „albtraumhaften Lebensumständen in ihrer Heimat fliehen“. Es müssten daher alle europäischen Länder Asylbewerber aufnehmen, unabhängig davon, ob die Menschen ihren Boden zuerst betreten haben.
"Wir können nicht Lebensretter für ganz Afrika sein"
Eine andere maltesische Bürgerin allerdings fürchtet weitere Landungen: „Wir empfinden das jetzt als Invasion, und wir als kleines Malta können doch nicht der Lebensretter für ganz Afrika sein“, sagte sie dem Tagesspiegel. Viele Einwohner seien hin- und hergerissen „zwischen ihrer christlichen Solidarität und dem Impuls, das eigene Land und die Zukunft ihrer Kinder zu retten“.
Malta ist gerade mal 28 Kilometer lang und 13 Kilometer breit
In den vergangenen zehn Jahren seien rund 18 500 Bootsflüchtlinge auf der 28 mal 13 Kilometer kleinen Insel Malta gelandet, sagte Herman Grech, leitender Journalist der „Times of Malta“, dem Tagesspiegel. Allein im Juli nahmen die Malteser 1000 Flüchtlinge auf. Die Flüchtlinge werden in nunmehr überfüllten Lagern versorgt. Insgesamt betreut Malta mit seinen 418 000 Einwohnern auf den drei bewohnten Inseln Malta, Comino und Gozo nach Expertenschätzungen jetzt auf der Hauptinsel rund 5000 Bootsflüchtlinge vor allem aus Eritrea, Kongo, Somalia und Syrien. Verschiedene Malteser wollen davon wissen, dass italienische Küstenwachen Flüchtlingsboote und die darauf verzweifelt winkenden Menschen ignorieren, damit sie in maltesische Gewässer weitertreiben.
UN-Generalsekretär spricht tiefere Fluchtgründe an
Maltas Premierminister Joseph Muscat hat am Sonntag in Tripolis den libyschen Regierungschef Ali Zeidan besucht – als „Zeichen der Solidarität“ mit dem jüngst von Entführern verschleppten Ministerpräsidenten. Zuvor hatte der Labour-Politiker bereits gedroht, er werde „die Bootsinsassen mit einem gecharterten Air-Malta-Flugzeug zurück nach Libyen schicken“, bis die Menschenhandelmafia reagiere und außerdem Europa Malta helfe. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Welt zum Handeln auf: Es gelte, die „tieferen Gründe“ der Flucht übers Meer anzugehen und die Menschenrechte der Flüchtlinge zu respektieren, erklärte Ban am Samstag. Die Weltgemeinschaft als Ganzes müsse handeln, um „die Wiederkehr solcher Tragödien zu verhindern“, erklärte Ban laut seinem Sprecher Martin Nesirky.
Konzernen wird vorgeworfen, das Leid in Afrika mit zu verursachen
Unterdessen weisen Entwicklungshilfefachleute darauf hin, dass in Zukunft wohl noch mehr Menschen aus Afrika gen Norden flüchten werden - zumindest diejenigen, die die Schleppergebühren aufbringen können. Denn mit der zunehmenden Trockenheit infolge des Klimawandels werden Nahrungsmittel immer knapper. Und Trinkwasser. Das pumpen Hotelanlagen für ihre Klientel oder auch internationale Konzerne bei der Herstellung von Produkten ab, so dass der Grundwasserspiegel sinkt und die Brunnen der Bevölkerung zum Teil versiegen. Teils wird das Wasser in Plastikflaschen sogar teuer an Einheimische verkauft. Die Deutsche Welthungerhilfe und die Organisation "Viva con agua" haben sich etwa schon gegen die Privatisierung des Gutes Trinkwasser gewandt. Und auch an den Kriegen sind deutsche Firmen beteiligt, sie lieferten etwa Bestandteile für die Chemiewaffen, die in Syrien gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wurden.
Schwarze und alte Männer sitzen harmonisch in Straßencafés
Malta wird indes weiter von Sprachreisenden besucht, von Menschen, die die Ritter-Geschichten und die einzigartigen Burgenbauten etwa in der Hauptstadt Valletta faszinieren. Sie bekommen in der Regel gar nichts mit von den Flüchtlingen und politischen Debatten. Unterdessen wünschen viele Malteser den Flüchtlingen nur das Beste. Einige schwarze Einwanderer, die sich unauffällig in die Gesellschaft integriert haben und mit den maltesischen römisch-katholischen Männern gemeinsam in Straßencafés sitzen, wünschen sich nur eines: arbeiten zu dürfen, Geld verdienen zu können.
Deutschland hofft auf gut qualifizierte Facharbeiter
Derweil geht die Diskussion in Deutschland um den Umgang mit den von Nordafrika anlandenden Boat People weiter. Manfred Schmidt, Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), will gut ausgebildeten Flüchtlingen das zermürbende und oft aussichtslose Asylverfahren ersparen. 70 Prozent der Asylanträge werden in Deutschland abgelehnt. Das seien „meist Menschen, die aus wirtschaftlicher Not ihre Heimat verlassen haben“, sagte Schmidt dem Hamburger Magazin „Der Spiegel“. Unter ihnen seien Studenten und hochqualifizierte Facharbeiter, „aber weil ihr Schlepper erzählt hat, sie sollen ,Asyl’ sagen, sitzen sie in der Falle des Systems“. Wer keine <Verfolgung in der Heimat nachweisen könne und keine Chance habe, in Deutschland zu bleiben, sollte stattdessen noch vor einem Asylantrag als Arbeitsmigrant aufgenommen werden, schlug Schmidt vor. (mit AFP)